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Monica L. is leaving the american sector

■  Als Clintons Praktikantin im Kaufhaus des Westens ihr Buch signierte, kamen Hunderte von Menschen, die sonst nicht viel Aufregendes erleben

Es geht nicht um ein verzogenes Mädchen aus Beverly Hills. Es geht auch nicht um die berühmteste Praktikantin der Welt. Es geht um Monica Lewinsky als Mensch. Aus diesem Grund sind am Samstag mittag Hunderte ihrer Anhänger auf der Jagd nach ihrer Unterschrift in das noble Berliner Kaufhaus des Westens gekommen, wo die 25jährige ihre wahre Geschichte, gepreßt zwischen zwei Buchdeckel, signierte.

„Ich will durch meine eigene Wahrnehmung mitbekommen“, erzählt eine junge Frau, „wie sie als Mensch so ist.“ Um das herauszufinden, hat sie einen weiten Weg auf sich genommen. Sie ist morgens um fünf Uhr in Frankfurt an der Oder in den Zug gestiegen und stand kurz nach zehn Uhr, drei Stunden vor Beginn der Signierstunde, in der Schlange. Warum sie sich das bei dem schönen Sonnenschein antut? „Ich finde die Frau toll, ihre Ausstrahlung und wie sie sich gibt.“

Der Mann, der die Schlange anführt, ist weniger auskunftsfreudig. Er nuschelt in seinen Vollbart, daß er normalerweise Sportautogramme sammelt und seit zehn Uhr ansteht. „Das reicht jetzt“, würgt er das Gespräch ab. „Monica Lewinsky ist für mich nur ein neues Autogramm“, beschreibt der Mann hinter ihm sein Verhältnis zu ihr. Der 18jährige David, der einige Meter hinter ihm steht, hofft, ein paar Worte mit Monica Lewinsky zu wechseln. Ihn interessieren so brennende Dinge wie der Dauer ihres Berlinaufenthaltes. Während für die 20jährige Isabella, die zusammen mit ihm ansteht, Lewinsky „irgendwie ein Star“ ist, glaubt David zu wissen, daß sie „ein Mensch wie jeder andere auch“ sei.

Als Monica Lewinsky um 13.04 Uhr wie ein Engel von oben herabgleitet, kommen Zweifel daran auf. Aus dem gläsernen Fahrstuhl kommt sie geräuschlos auf die Bühne, die mit einem großen Tisch, zwei schwarzen Ledersesseln, einem Gesteck aus Rosen und Cola light ausgestattet ist. Pfiffe, Applaus, „Monica“-Rufe und Dutzende von Fernsehkameras und Fotografen empfangen sie. Mit einem Lachen auf den Lippen erträgt sie das Blitzlichtgewitter. Doch nach fünfzehn Minuten verschwindet sie und kommt erst wieder, als sich die Fotografen und Kameramänner verzogen haben. Als selbst Erinnerungsfotos mit der Plastikkamera untersagt werden, macht sich Unmut breit. „In dem Buch wird über intimste Sachen geschrieben“, schimpft eine beleibte Frau, „und dann darf man kein Foto von ihr machen.“ Trotzdem kommen all diejenigen auf ihre Kosten, die nur mal einen Blick auf sie erhaschen oder ein zartes „Hi“ aus ihrem Mund hören wollen. Menschen mit ausgetretenen Schuhen, Hochwasserhosen und verwaschenen Stoffbeuteln defilieren ebenso vorbei wie herausgeputzte Frauen und Männer.

Während Lewinsky Hunderte Male „Monica“ schreibt, versucht der Autor des Buches, Andrew Morton, unnötig lange Gespräche mit den Fans zu vermeiden. Doch daß das eine oder andere Geschenk direkt bei ihr landet, kann er nicht unterbinden. „Very sweet“ findet sie all die Bären und Blumen. Besonders entzückt zeigt sie sich über ein Berlin-T-Shirt mit dem Aufdruck „You are leaving the american sector“. Einem 11jährigen Jungen, der ihr eine Rose schenkt, gibt sie gar einen Kuß auf die Wange. Das Publikum johlt. Ein Bodyguard flüstert in sein Minimikro: „Bitte keine Schweinereien über Funk.“

Nach einer Stunde ist alles vorbei. Monica Lewinsky leide unter dem Jetlag und habe nach der Signierstunde in Hamburg eine leichte Magenverstimmung, heißt es. Klingt irgendwie ziemlich menschlich. B. Bollwahn de Paez Casanova

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