SPD will Mieter privatisieren

■  SPD-Quadriga stellt Modernisierungsprogramm für Berlin vor: Verkauf von 70.000 Wohnungen und Ladenöffnung bis 22.00 Uhr vorgesehen, kürzere Schulzeit geplant

Der Vorstoß der SPD-Führungsquadriga, zwei Wohnungsbaugesellschaften zu verkaufen, stößt auf beträchtlichen innerparteilichen Widerstand. Der Vorschlag ist Teil eines 13-Punkte-Programms zur Modernisierung Berlins, das Spitzenkandidat Walter Momper, Parteichef Peter Strieder, Fraktionschef Klaus Böger und Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing gestern vorstellten. Erhebliche Bedenken gegen den Verkauf von zwei Wohnungsbaugesellschaften waren bereits bei einer Klausurtagung der SPD-Landesspitze am Sonntag aufgetreten. Fraktionsvorstandsmitglied Christian Gaebler bezweifelte gestern, daß die SPD mit diesem Thema die Wähler im Wahlkampf emotional ansprechen könne. Er sprach sich gegen den geplanten Sonderparteitag Ende April aus. „Es macht keinen Sinn, hektisch einen Parteitag einzuberufen. Es muß ausreichend Zeit geben, dies vorher innerparteilich zu diskutieren.“

Kritik an dem Vorstoß äußerten auch zwei Vertreter der Linken. Den Verkauf von zwei Wohnungsbaugesellschaften vorzuschlagen sei das „falsche Signal, wenn man die Partei geschlossen in den Wahlkampf führen will“, sagte das Landesvorstandsmitglied Matthias Linnekugel. Von einem „sehr heiklen und emotionalen Thema“ sprach der Kreuzberger Kreisvorsitzende Andreas Matthae. Er ging davon aus, daß es beim Parteitag zu einer heftigen Debatte kommen werde. Unterstützung erhielten die SPDler auch von Hartmann Vetter, Chef des Berliner Mietervereins, der den Verkauf als „abenteuerlich“ bezeichnete. Die SPD könne so nicht mit „öffentlichem Eigentum und ihrer Klientel, die dort wohnt“ umgehen.

Bei einem SPD-Parteitag im November 1997 war es der Parteiführung nicht gelungen, eine Mehrheit für den Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften zu erzielen. Damals war beschlossen worden, daß höchstens 49 Prozent der Landesanteile an Wohnungsbaugesellschaften verkauft werden dürfen und das Land somit weiterhin die Mehrheit der Anteile hält. Welche Wohnungsbaugesellschaften für einen Verkauf in Frage kommen, wollte Finanzsenatorin Fugmann-Heesing gestern nicht sagen. Zu den drei Wohnungsbaugesellschaften, die nach Informationen der taz aufgrund ihrer Ertragslage für eine Privatisierung in Frage kommen, zählen die Gewobag (25.500 Wohnungen), die GSW (59.900 Wohnungen) und die Degewo (30.500 Wohnungen). Der Verkauf soll etwa 1,8 Milliarden Mark in die Landeskasse bringen. Angestrebt ist, von 396.000 städtischen Wohnungen etwa 70.000 zu verkaufen.

Wie Strieder erklärte, soll der Parteitag noch im April stattfinden. Gänzlich neue Vorschläge enthält das Eckpunkte-Papier der Quadriga nicht, wenn man von der Absicht zu längeren Ladenschlußzeiten absieht. Danach sollen Läden künftig bis 22 Uhr offenbleiben können.

Als dringlichste Aufgabe wird eine effizientere Wirtschaftspolitik gesehen. Die Schulzeit soll verkürzt werden. In der 5. und 6. Klasse der Grundschule soll künftig eine stärkere Leistungsdifferenzierung eingeführt werden. In der Inneren Sicherheit geben die Sozialdemokraten der CDU Kontra: „Null-Toleranz, mehr Polizei und schärfere Gesetze; diese Schlagworte haben in Berlin nicht überzeugt.“ Auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit lägen die Mängel eher in der „Ineffektivität der Sicherheitsorgane“. Dorothee Winden