piwik no script img

■ Die rassistische Gewalt in Brandenburg nimmt ungebremst zuDie neue deutsche Normalität

Kaum ein Wochenende vergeht in Brandenburg ohne einen fremdenfeindlichen Übergriff. Am Wochenende hat ein junger Mann ohne Anlaß einem Asylbewerber aus dem Libanon von hinten ein Messer in den Körper gerammt. Erst vergangene Woche schlug ein 17jähriger einem Aussiedler ins Gesicht und brüllte: „Hier wird deutsch gesprochen. Wir werden euch alle töten.“ Mitte Februar sorgte eine tödliche Hetzjagd auf einen algerischen Asylbewerber für Schlagzeilen.

Wenn man von diesen Ereignissen hört, kann man nicht glauben, daß sie im heutigen Deutschland passieren. Bei dem, was in Brandenburg augenscheinlich jeden Tag geschehen kann, kann man nicht mehr von einer Häufung von Einzelfällen sprechen. Wenn eine Reihe solcher Ereignisse ohne massenhafte Proteste auf offener Straße passiert, dann haben Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhaß einen festen Platz in der Gesellschaft gefunden.

Ein fundamentaler Unterschied in der Einstellung zu Fremden in Ost- und Westdeutschland kann nicht mehr geleugnet werden. Obwohl oder gerade weil dort der Anteil von Ausländern an der Bevölkerung vergleichsweise gering ist, scheinen sie um ihr Leben fürchten zu müssen.

Ich als Deutscher türkischer Herkunft, der sein Land im Europäischen Parlament vertritt, haben alle Grund, Angst zu haben, wenn ich mich im Osten dieses Landes aufhalte. Wenn die ausländerfeindlichen Banden um die Häuser ziehen, werde auch ich mein Gesicht und meine Hautfarbe nicht hinter meinem deutschen Abgeordnetenausweis verstecken können.

Angesichts dieser Situation müßte die Bevölkerung Brandenburgs eigentlich alarmiert sein. Aber von Verunsicherung ist nichts zu spüren. Außer einem leicht gesagten Wort des Bedauerns ist von Brandenburgs Landesvater Stolpe oder anderen Regierenden im Osten Deutschlands nichts zu hören.

Aber betroffene Sonntagsreden sind jetzt nicht mehr genug. Die Arbeitslosigkeit und die allgemeine Verunsicherung durch den gesellschaftlichen Wandel können immer als Rechtfertigung herhalten. Warum werden keine Konsequenzen aus den Ereignissen gezogen und öffentlich thematisiert, wie es dazu kommen konnte? Wo sind die Pläne, um in Zukunft weitere Gewalt gegen Fremde zu unterbinden? Mit mehr Polizei wird das Problem nicht zu lösen sein. Dürfen wir – zu ihrem eigenen Schutz – keine Asylbewerber mehr nach Brandenburg gehen lassen? Ozan Ceyhun

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen