: Gorleben: Wasser im Schacht weckt neue Zweifel
■ Niedersachsen will die Erkundung von Gorleben bis 2001 fortführen. Der Bund zweifelt an der Sicherheit und will die Arbeiten schnell beenden. Neue Wasserfunde im Bergwerk
Gorleben (taz) – Bei der Erkundung des Gorlebener Salzstockes sind auch im Kernbereich des umfangreiche Flüssigkeitsvorkommen gefunden worden. In einem Stollen mit der Bezeichnung „Querschlag West“ sei man auf Laugennester mit einem Gesamtvolumen von 350.000 Litern gestoßen, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern, Hans Jürgen Krug, beim Besuch des niedersächsischen Umweltministers Wolfgang Jüttner (SPD) in dem Endlagerbergwerk. Trotz der neuerlichen Laugenfunde sprach sich Jüttner am Montag gegen eine baldige Unterbrechung der Erkundungsarbeiten in Gorleben aus, wie sie Bundesumweltminister Jürgen Trittin gestützt auf den Bonner Koalitionsvertrag anstrebt.
Jüttner verlangte ein Zwischenergebnis der Erkundung, das den Salzstock Gorleben mit anderen möglichen Endlagerstandorten vergleichbar mache. Ohne einen solchen Zwischenstatus sei der Bevölkerung die Unterbrechung der Erkundung nicht vermittelbar, da in Gorleben bereits 2,1 Milliarden Mark ausgegeben worden seien, sagte Jüttner. Demgegenüber betonte gestern der Sprecher des Bundesumweltministeriums, Michael Schroeren, daß es bereits jetzt genügend Zweifel an der Eignung des Salzstockes gebe. „Wir suchen gegenwärtig nach einem Weg, um eine schnelle Unterbrechung der Erkundungsarbeiten durchzusetzen, die nicht zu Entschädigungszahlungen führt und für die in Gorleben beschäftigten Bergleute sozialverträglich ist“, sagte Schroeren. Daher sei es nicht sinnvoll, noch weiteres Geld für die Erkundung auszugeben und in Gorleben weiter Präjudizien zu schaffen.
Im Endlagerbergwerk wird zur Zeit in 840 Metern Tiefe der erste von insgesamt neun „Erkundungsbereichen“ untersucht. Die vier zusammen gut 2.000 Meter langen Stollen sind bisher zur Hälfte vorangetrieben worden. Die gesamte Untersuchung des Erkundungsbereichs 1 soll nach Angaben der DBE noch gut zweieinhalb Jahre, bis Ende 2001 dauern. Von den Stollen aus haben die Bergleute einzelne seitliche Kammern in das Salz gefräst, in denen das Salzgestein durch lange Bohrungen weiter untersucht wird. Bei solchen Bohrungen im Querschlag West wurden auch Laugennester im jüngeren Steinsalz gefunden, das an das ältere Steinsalz angrenzt, in dem bisher die Lagerung der hochradioaktiven Abfälle vorgesehen war. Bereits fertig sind unter Tage die großen Infrastrukturräume: in das Salz geschlagene Hallen für die Werkstätten, Lager und Aufenthaltsräume.
Nach seiner zweistündigen Besichtigungsfahrt durch die meist kaum beleuchteten und vom Lärm der Belüftung erfüllten Stollen, empfahl der niedersächsische Umweltminister eine vollständige Untersuchung des ersten Erkundungsbereichs. Gegen die damit verbundene Fortführung der Erkundungsarbeiten bis Ende 2001 meldete gestern die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg Protest an. „Für das geplante Gorleben-Moratorium ist der 31. 12. 1999 die absolute Deadline“, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Ende des Jahres liefen die bergrechtlichen Genehmigungen für die Erkundung aus, und sie dürften nicht noch einmal verlängert werden. Als durchaus gravierend bezeichnete gestern der Kieler Geologe Professor Klaus Duphorn die Laugenfunde im Salzstock. Die Zuflüsse zu den Bohrungen zeigten, daß es auch im Kernbereich des Salzstocks Flüssigkeit gebe, die nicht völlig ortsfest sei. Sie würde bei einer Aufheizung des Salstokkes durch Atommülleinlagerung erst recht mobilisiert. Atommüllbehälter würden in der Lauge korrodieren und dann ihren Inhalt abgeben, sagte Duphorn. Nach Angaben des Kieler Geologen ist man zwar schon bei den ersten Tiefbohrungen in Gorleben noch in 1.900 Metern Tiefe auf Laugennester gestoßen, dies seinerzeit aber nur in Randbereichen des Salzstockes.
Jürgen Voges
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