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Lichtpapageien und Glasflora

Aus Licht gemalt: Louis C. Tiffany – Meisterwerke des amerikanischen Jugendstils im Museum für Kunst und Gewerbe  ■  Von Hajo Schiff

Gemessen am ungebrochenen Erfolg und dem selbst im Kino mehrfach zitierten Ruhm der Kunsthandwerkerdynastie Tiffany ist es erstaunlich, daß erst jetzt erstmals eine große Werkschau mit 250 Ausstellungsstücken in Europa gezeigt wird. Dabei geht es nicht um eine der größten Einrichtungs- und Werkstättenbetriebe Amerkas, auch nicht um den millionenschweren, 1902 gestorbenen Juwelier Charles Lewis Tiffany, sondern um dessen berühmten, 1848 geborenen Sohn Louis Comfort Tiffany.

Der begann seinen künstlerischen Weg als Maler spätromatischer Landschaftsansichten, mit denen er beachtlichen Erfolg hatte. Aber Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gründete er mit Freunden ein Studio für Einrichtungskunst.

Die Gedanken der Lebensreformbestrebungen wie die englische „Arts and Crafts“-Bewegung, der „Jugendstil“ oder die „Art nouveau“ hatten auch in Amerika viele Anhänger. Man gestaltete das Wohnhaus von Mark Twain oder selbst einige Räume des Weißen Hauses. Doch Tiffany wollte dem ganzen us-amerikanischen Volk einen neuen Schönheitsbegriff vermitteln. Und dazu wählte er farbiges Glas.

In den achtziger Jahren wurden mehr als viertausend Kirchen in den USA neu gebaut, und zugleich begann die Glühbirne ihren Siegeszug: Glasfenster und Glaslampen wurden gebraucht. Und der einstige Maler begann, mit Licht zu malen, nicht auf Glas sondern mit im Feuer gefärbten Glas. Mit seiner 1885 gegründeten Tiffany Glass Company errang er schnell Weltruhm und wurde auf den großen Weltausstellungen mit Preisen überschüttet.

Auch der Direktor des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe, Justus Brinckmann, erwarb bereits 1896 die erste Tiffany-Vase für die Sammlung.

Die jetzige Ausstellung am gleichen Ort ist eine Übernahme vom Metropolitan Museum in New York und wurde von der Mobil Oil zu deren hundertsten Geburtstag gesponsert.

Im Kontext großbürgerlicher Wohnkultur mit Springbrunnen und Kamin oder in einer Originalvitrine der Pariser Weltausstellung sind nun die edlen Vasen oder die Lampen zu sehen, die durch den Rückgriff auf die Formen einheimischer Flora mithalfen, die neue Technik des Glühbirnenlichtes akzeptabel zu machen. Und die auch für den weltlichen Bereich produzierten Glasfenster brachten nicht nur spielende Papageien und blühende Magnolienträume in Pub und Bank, ins feierliche Entree oder intime Boudoir, sie waren auch künstlerisch auf der Höhe der Zeit und wurden beispielsweise von Henri de Toulouse-Lautrec entworfen.

Doch die Pracht der Jahrhundertwende sollte nicht die Kultur des Jahrhunderts werden. In den sehr anderen Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg zog Louis Comfort Tiffany sich in seine Villa auf Long Island zurück und gründete eine Stiftung zur Unterstützung junger Künstler. Im Januar 1933 starb der Meister leuchtender Schönheit, die Erfahrung der heraufziehenden, noch größeren Barbarei blieb ihm erspart.

Museum für Kunst und Gewerbe, bis 13. Juni. Umfangreiches Rahmenprogramm. Katalog: 256 Seiten, 46 Mark, www.mkg-hamburg.de

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