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Behindertengesetz ohne Wirkung

■  Hauptausschuß verwässert Gleichberechtigungsgesetz, Behindertenverbände und Opposition lehnen Neufassung ab. Ende April wird sie im Abgeordnetenhaus beschlossen

In wenigen Wochen wird Berlin das bundesweit erste Gleichberechtigungsgesetz für Behinderte haben, doch es wird „faktisch wirkungslos“ sein. Dieser Ansicht sind zumindest die Behindertenverbände und die Opposition. „Wir wollten einklagbare Rechte, mit denen wir gegen Diskriminierung vorgehen können, aber genau das bekommen wir nicht“, beurteilt Bettina Theben vom Forum behinderter Juristen den Gesetzentwuf, den der parlamentarische Hauptausschuß am Dienstag abend mit den Stimmen von CDU und SPD verabschiedet hat. Die Zustimmung im Abgeordnetenhaus am 29. April ist damit sicher.

Der Beschluß des Hauptausschusses weicht in wesentlichen Punkten von dem Gesetzentwurf ab, den der Sozialauschuß wenige Wochen zuvor verabschiedet hatte und der zentrale Forderungen der Behindertenverbände enthielt: ein klares Diskriminierungsverbot, Verschärfungen in der Bauordnung und ein Verbandsklagerecht, das es den Behindertenorganisationen in bestimmten Fällen ermöglicht, juristisch gegen Mißstände vorzugehen. Doch das paßte dem Senat und auch den Bau- und Rechtspolitikern von SPD und CDU nicht. Die Vorschläge seien schlicht nicht finanzierbar, hieß es.

Beschlossen hat der Hauptausschuß nun einen stark abgeschwächten Gesetzestext, der mit mehr als 40 Millionen Mark zu Buche schlagen wird. Das Diskriminierungsverbot soll zwar enthalten sein, ist aber nicht mehr klar definiert und daher nicht einklagbar. Auch das Verbandsklagerecht wurde eingeschränkt. Die Behindertenverbände sollen lediglich klagen können, wenn die Bauverwaltung Ausnahmegenehmigungen vom behindertengerechten Bauen erteilt.

Das Gesetz sei „ein Kniefall vor dem Bausenator und eine Verarschung der Behindertenverbände“, sagte der behindertenpolitischer Sprecher der Bündnisgrünen, Dietmar Volk. Es bringe „nichts Substantielles“, urteilte auch die sozialpolitische Sprecherin der PDS, Dagmar Pohle. Mehr sei nicht finanzierbar und auch nicht kompromißfähig, sagen dagegen die Haushaltspolitiker der Großen Koalition. „Das geht den Baupolitikern zu weit und den Sozialpolitikern nicht weit genug“, so der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Hans-Peter Seitz. Der behindertenpolitische Sprecher der CDU, Christian Zippel, ist dennoch zufrieden: „Hätten wir diesen Kompromiß nicht erreicht, wäre das Ganze geplatzt.“ Außerdem bringe das Gesetz auch Verbesserungen. So werde die Gebärdensprache erstmals als gleichberechtigte Sprache anerkannt und der Telebus gesetzlich festgeschrieben. Sabine am Orde

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