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■ Film ScriptDer Ritt in den Sonnenuntergang

Michael Petzel haben wir es zu verdanken, daß nunmehr ein Buch über Karl-May- Verfilmungen vorliegt, das buchstäblich keine Wünsche offenläßt. Wem Winnetou und Old Shatterhand in Gestalt von Pierre Brice und Lex Barker in seiner Jugend wenigstens ein bißchen was bedeuteten, der wird diesen handlichen und ausgesprochen schön gestalteten Brocken namens „Karl-May- Filmbuch“ mit Freude zur Kenntnis nehmen. Und das nicht nur, weil er schon immer wissen wollte, wie es kam, daß der Machredsch im Schlußkampf von „Im Reiche des Silbernen Löwen“ mal seinen Fez aufhat und mal nicht. Petzels schier unerschöpfliches Detailwissen paart sich aufs glücklichste mit seinem Sinn für Humor und der Fähigkeit, die Produktionsgeschichte der Karl- May-Filme lebendig, ja geradezu spannend zu erzählen.

Zwischen 1962 und 1968 entstanden 17 mehr oder weniger (meist weniger) werkgetreue Verfilmungen von Stoffen der sächsischen „Ein- Mann-Traumfabrik“ (Gordon Craig). 1965 allein kamen sieben Filme in die deutschen Kinos. Im Wettstreit um die Publikumsgunst: die Produzentengrößen Horst Wendtland und Artur Brauner. Auf dem Regiestuhl: Harald Reinl, F.J. Gottlieb, Alfred Vohrer und Robert Siodmak. Vor der Kamera: ein Haufen Leute, die mit ihren Rollen gänzlich identifiziert werden sollten. Marie Versini ist Nscho-Tschi, und auf Ralf Wolter folgt unweigerlich „Hi hi hi, wenn ich mich nicht irre...“

Petzels Buch läßt sich auch als deutsche Filmgeschichte der sechziger Jahre lesen. Wobei er nie vergißt, den Anteil der damaligen jugoslawischen Produktionsfirmen Avala und Jadran am Gelingen der Filmserie zu betonen. Nicht zuletzt ist das „Karl- May-Filmbuch“ ein Nachschlagewerk – mit einem ausführlichen filmographischen Anhang, einem praktischen „Who is who“, einer kommentierten Bibliographie und jeder Menge schöner Bilder. Nur auf die Analyse der Filme verzichtet Petzel nahezu vollständig. Das ist nicht unbedingt ein Manko, da die Antwort auf die Frage nach dem Reiz und der Anziehungskraft der Filme in ihrem märchenhaften Charakter liegt. Was zum Träumen halt. Und zum Erinnern. An die Jugendzeit. Alexandra Seitz

Michael Petzel, Karl-May- Filmbuch, Bamberg Radebeul 1998, 608 Seiten, 58 DM

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