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Motor für den Fortschritt

An der Ahfad Universität im Sudan, der einzigen Frauenuniversität Afrikas, studieren rund 5.000 Frauen. Das Studium bietet die Chance zu mehr Gleichberechtigung  ■ Von Beate Hinkel

Vor einem Jahr waren die sechs Tore in der Umzäunung des Geländes der Ahfad Frauenuniversität in Khartum noch geöffnet. Heute gibt es nur noch einen Haupteingang. Beim Betreten des Geländes kontrolliert die Sicherheitspolizei vor allem die ordnungsgemäße Kleidung der Frauen. „Niemand hat Zutritt ohne Kopftuch“, sagt Selma Nageeb, Dozentin für „Women Studies“ und „Development Theories“ an der Ahfad Universität. Doch die versuchte Einflußnahme der islamistischen Regierung auf Lehrinhalte und Unterrichtssprache der Privatuniversität konnte bislang erfolgreich abgewehrt werden. Vor acht Jahren wurde an allen Universitäten des Landes die arabische Sprache eingeführt, allein die Ahfad Uni unterrichtet bis heute in Englisch.

Und das macht sie attraktiv: An der einzigen Frauenuniversität Afrikas lernen heute 5.000 Studentinnen. Ihre Zahl hat sich seit 1980 verzehnfacht. Der gute Ruf der Ausbildung zieht an. Die Kapazitäten sind längst erschöpft. Dringend werden neue Gebäude benötigt. Doch seit dem Putsch 1989 hat die Europäische Union ihre zugesagten Gelder eingefroren.

Die Ahfad Universität bietet eine Studienmöglichkeit für Frauen, die weder an gemischten Universitäten noch in Europa oder Ägypten studieren wollen oder können. Das Studium sei ein Schritt zur Gleichberechtigung der Sudaneserinnen, sagt Selma Nageeb, eine Chance, daß Frauen in Zukunft eine größere Rolle in der Öffentlichkeit, im Arbeitsleben, in der Politik spielen. Doch dafür müsse noch viel getan werden.

Dieser Hoffnung stehen Fakten gegenüber: Bürgerkrieg und Hungersnot im Süden, arabisch-islamische Tradition und Unterdrückung im Norden. Amnesty international berichtet von Verfolgung, Folter, Steinigung und Auspeitschung Oppositioneller. Es bedarf eines differenzierten Blickes auf das Land. Denn trotz diktatorischer Verhältnisse profitieren die christliche Ahfad Universität und ihre Studentinnen von dem 1992 ausgearbeiteten Zehnjahresplan der Regierung. Er sieht Frauen als wichtigen Motor für den Fortschritt des Landes und formuliert Alphabetisierung und Weiterbildung als Hauptziele. Sunita Pitamber, Dozentin für Organisationsmanagement an der Ahfad Frauenuniversität, sagt: „70 Prozent der Bevölkerung sollen bis zum Jahr 2000 gebildet sein.“ Schon die enorme Zunahme an Universitätsgründungen unterstreicht die Ernsthaftigkeit des Plans: Waren es 1989 erst fünf, gibt es heute 26 im Land.

„Frauenaktivitäten, die der Entwicklung des Landes dienen und die wirtschaftliche und soziale Lage der Frauen verbessern, werden bevorzugt“, bestätigte 1993 Zakiya Awad Satti, erste Dekanin einer Universität im Sudan. Das scheint trotz rigider Kleider- und Verhaltensordnung und scharfer Sanktionen bei Verstoß gegen die Vorschriften noch heute zu gelten. Denn zum einen finanzieren die Landwirtschafts- und Gesundheitsminister einzelnen Frauen das Studium in Khartum. Zum anderen bekommen rund sechzig Prozent der Uni-Abgängerinnen einen Job in der Privatwirtschaft. Sunita Pitamber: „Überall findet man ehemalige Ahfad-Studentinnen: in Banken, Hospitälern, im Gesundheitsministerium, als Abteilungsleiterinnen, vor allem im mittleren Management. Das ist schon was.“

Die Ahfad Frauenuniversität finanziert sich in erster Linie über – flexible – Studiengebühren. Stipendien vom Sudan, vom British council of churches, verschiedenen regierungsunabhängigen Organisationen (NGOs) und der UNO ermöglichen Studentinnen aus unterschiedlichen Schichten das Studium. „Wir haben viele Frauen aus ländlichen Gebieten“, sagt Selma Nageeb. „In meinen zehn Jahren an der Ahfad Universität habe ich nie von einer Studentin gehört, die von der Universität verwiesen wurde, weil sie nicht bezahlen konnte.“

Dennoch bleiben – neben der Kritik am männlichen Präsidenten und der Clanwirtschaft innerhalb der Universität – Zweifel. Denn wer kann sich in dem unter Bürgerkrieg und Hungersnot leidenden Land das Studium leisten, wer spricht zudem Englisch?

Was ist eine Frauenuniversität in einem von islamischen Fundamentalisten beherrschten Land? Hier studieren nur Frauen, neunzig Prozent der ProfessorInnen sind weiblich. Die Studentinnen kommen nach Aussage von Selma Nageeb und Sunita Pitamber aus allen Regionen des Landes nach Khartum, um Psychologie, Organisationsmanagement, Familienwissenschaften, ländliche Entwicklung und Erziehung oder Medizin zu studieren. Das Studium mit praktischen Anteilen verspricht gute Beschäftigungschancen in Entwicklungshilfeprojekten. Gerade dort würden Frauen aber bislang oft nicht beteiligt, so Sunita Pitamber.

Richtungsweisend sind daher die „Women Studies“, ein zweisemestriges Plfichtangebot für alle Fakultäten, das den geschlechtsspezifischen Blick der Studentinnen schärfen soll. Gender-and- Sex-Theorien gehören zum Lehrplan. Sie sollen zeigen, daß die soziale Rolle der Frau und gesellschaftliche Strukturen nicht gottgegeben sind. „Wir wollen, daß die Studentinnen verstehen, daß die niedrige Position von Frauen veränderbar ist. Unser Ziel ist es, daß die Studentinnen ihre Situation analysieren“, sagt Selma Nageeb. Das sei Voraussetzung für die geschlechtsspezifische Forschungsperspektive.

Für Projekte bekommt die Ahfad University for Women Unterstützung aus dem Westen. Die niederländische Regierung beteiligte sich am Aufbau der medizinischen Fakultät, die Canadian International Development Agency am Bau neuer Unterrichtsräume. Im Oktober 1998 unterzeichnete die Berliner Humboldt-Universität einen Kooperationsvertrag mit der sudanesischen Frauenuniversität: „Women for Development“. Unter der politischen Oberfläche des afrikanischen Landes gebe es sehr hoffnungsvolle Entwicklungen, sagt Günter Lorenzl, Professor für Agrarmarktlehre an der Humboldt-Universität. Gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte, Studentinnenaustausch und Kooperationen bei den Frauenstudien sind bis zum Jahr 2002 geplant. In Bremen wird die Ahfad Universität vom Verein „Bremerinnen für Frauen aller Kulturen“ gefördert. Die Bremer wollen Partnerschaften für Jahresstipendien in Khartum organisieren. „Vor allem im Bildungsbereich der Entwicklungsländer unterstützen wir die Ausbildung hochqualifizierter Frauen“, sagt Vereinsmitglied Anna Albers. Und Ahfad treibe die gesellschaftspolitische Position der Frauen voran.

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