: Kurzweilige Kreuzfahrt
■ Immer Ostern steigt Jesus aus dem Grab, aber auch in einer neuen Nazareth-Reportage des ZDF bleibt alles eine Frage des Glaubens
Es ist Ostern, und eine ungehörige Mischung aus heidnischen Bräuchen und überlieferter christlicher Ideologie läßt eine Menge Menschen auf der Welt feiern – mit eierlegenden Hasen, Fernsehnachmittagen und der Auferstehung des Messias. Das ZDF hat unter dem Namen „Himmel, Hölle und Nirwana“ eine dreiteilige Reihe in Auftrag gegeben, die sich mit der Erforschung dreier von fünf Weltreligionen (Christentum, Islam und Buddhismus) beschäftigt.
Im Popschritt durch die Leiden Christi
Aus aktuellem Anlaß – die historische Person Jesus soll vor rund 2000 Jahren hingerichtet worden und an Ostern auferstanden sein – erzählt der erste Teil von den Spuren des ersten Christen, der eigentlich ein Jude war. Dabei versucht der Film dokumentarisch vorzugehen: Schwer genug ohne Augen- und sonstige Zeugenberichte, auch wenn die Vorstellung, einen Interviewpartner zum Beispiel mit „Ur- Ur-Ur-Ur-Ur-Großneffe von Jesu Nachbar in Nazareth“ zu untertiteln, einfach verlockend wäre.
Statt dessen präsentiert man die Geschichte vom religiösen „Reformer“ Jesus als spannende, mit Musik unterlegte und raffinierten Spielszenen aufgepeppte Reportage, gefällig und rasant auf die wichtigen Punkte verkürzt. Kein O-Ton, weder erleuchteter Diener Gottes noch Skeptiker, stört die kurzweilige Fahrt in die Vergangenheit. Kurz wird die Zeit um Jesu Geburt beleuchtet, die Kindstötung des Herrschers Herodes, die Jugend als Tagelöhner auf dem Bau, die Taufe bei Johannes, die langsam größer werdende Gruppe der Anhänger, Jünger, die ihm folgten, das gewaltsame Vorgehen Jesu gegen die Geschäftemacherei am Passahfest im Tempel von Jerusalem, die Verfolgung, der Verrat durch Judas, die Kreuzigung und Auferstehung.
Immer wieder durchmischen die Filmemacher Ingo Hermann und Jens-Peter Behrend die Spielszenen und stimmungsvollen Landschaftsaufnamen mit echten Bildern von christlichen Osterbräuchen, Flagellanten in Spanien, Passionsspielen und den Versuchen von Gläubigen, Erlösung durch Selbstkasteiung zu erreichen. Aber beim schwierigen Versuch, die Fakten darzulegen, deren Echtheit in den meisten Fällen nach wie vor umstritten ist, kommt der Film auch nicht weiter als alle bisherigen Versuche der historischen Annäherung an ein Weltphänomen namens Glaube.
Man traut sich nicht, die richtigen Fragen zu den vielen Unsicherheiten des auf die Bibel fundierten Christentums zu stellen, zum Beispiel die nachgewiesenen Übersetzungs-Unklarheiten und Fehler zu erwähnen, oder die Ähnlichkeiten der Jesus-Saga mit Überlieferungen aus anderen Kulturen. Auch die großen, schon historischen Streitereien um die Deutung der heiligen Texte, mit denen sich die Geister und Gelehrten quasi seit Veröffentlichung des Bestsellers Bibel herumschlagen, sind den Autoren nur einen kurzen Hinweis wert.
Hin und wieder werden interessante, wenn auch bekannte Einzelheiten aus der Jesusforschung als Aktualitäts-Update ins Rennen geworfen: zum Beispiel die Geschichte des deutschen Forschers Constantin von Tischendorf, der 1847 in einem Kloster am Sinai eine Handschrift der Bibel fand und abschrieb, die angeblich aus dem Jahre 350 stammte und beweisen soll, daß der Inhalt der Heiligen Schrift – Neues Testament natürlich – in den fast zwei Jahrtausenden seiner Existenz kaum falsch überliefert oder verändert wurde.
Der Sozialrebell im modernen Leichentuch
Kaum zu glauben, daß dem „Stille Post“-Syndrom nicht auch ein anscheinend recht charismatischer Kopf wie Jesus zum Opfer fallen sollte, wenn man an die schnelle Verfälschung heutiger Ereignisse und Nachrichten denkt, die sogar in Bild und Ton festgehalten werden können.
Unterhaltsam, wenn auch unkritisch werden Phänomene wie der Fund des angeblichen Leichentuchs mit Abdrücken des gefolterten Körpers Jesu, die historischen Annahmen und der überwältigende Volksglaube zu dem positiven Jesusbild vom Sozial- und Religionsreformer und Rebellen komponiert. Zwar kommt dieses Porträt aufgeklärt und in modernem Gewand daher, es krankt aber an denselben Problemen, die den Ungläubigen immer schon das Argumentieren erleichterten und gleichzeitig erschwerten – der Glaube hat Macht, er versetzt Berge. Das wußten schon die Bibelschreiber, wer auch immer sie in Wahrheit waren, und außerdem ist das, was passiert ist oder auch nicht, so verdammt (sic!) lang her. Jenni Zylka
„Himmel, Hölle und Nirvana“, Sonntag, 19.30 Uhr, ZDF
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