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Wasser marsch! Von Karl Wegmann

Ich bin immer sehr gut mit meinem Lieblingsmineralwasser aus Italien klargekommen. Lecker! Gesund! Bekömmlich! Dann trat Greenpeace auf den Plan und behauptete: Wer in Deutschland italienisches Mineralwasser trinkt, ist eine Umweltsau! Warum? Weil das Wasser mit Flugzeugen und Lastkraftwagen hier raufgeschafft wird, und die verpesten die Luft. Was tun? Deutsches Wasser saufen!

Ungefähr zu dieser Zeit kamen die Mineralwassermaschinen auf den Markt. Sie wissen schon: „Wasser Max“, „Soda-Club“ etc. Massenhaft Reklame im Fernsehen: Keine Kisten mehr schleppen, gesunde Erfrischung, Geld sparen ... Alle meine Freunde schafften sich diese neuen Geräte an. Nur ich wollte immer noch nicht von meinem importierten, umweltvergiftenden Wasser lassen. Der Druck wurde stärker. Die Stadt, rot-grün regiert, bot jedem Einwohner, der sich so eine Wasser-Maschine anschaffte, 25 Mark Zuschuß. Pah, kaufen laß' ich mich nicht, nicht für ein Trinkgeld.

Weihnachten kam, und die Stadt wurde mit Geräten der Marke „Soda-Club“ regelrecht überschwemmt. Die Preise fielen, und dann hatten sie auch mich am Haken. Den Ausschlag gab eine kleine Party, auf der ein Mensch vom Umweltamt zornig mit dem Finger auf eine Flasche „Gerolsteiner“ zeigte und sehr laut sagte: „In diesem Wasser steckt mehr Dreck als in unserem Leitungswasser!“

Eine „Soda-Club“-Maschine mit Kohlensäurezylinder (nur gemietet) und Plastikflasche (“Sicherheitshinweis: Benutzen Sie diese Flasche nicht nach Oktober 2001“) für 129 Mark wurden angeschafft. Greenpeace war zufrieden, die Stadtverwaltung auch und die Bundesgrünen, die gerade lernen, die Bombe zu lieben, wahrscheinlich ebenfalls. Ich war in den Kreis der politisch Korrekten zurückgekehrt. Ich war wieder Mensch.

Dann erste Probleme. Eine dieser Plastikflaschen reicht nicht aus, ich brauche mindestens drei. Bei „Saturn“ schütteln sie bedauernd den Kopf. Leider ausverkauft. In der ganzen Stadt gibt es keine „Soda-Club“-Flaschen. Also raus aufs Land. Die kritische Landbevölkerung kauft so einen neumodischen Kram nicht, die Wasser-Macher verstauben in den Regalen. Zwei Ersatzflaschen sind schnell gefunden. Nach zwei Monaten ist der erste Kohlensäurezylinder leer und muß ersetzt werden. „Einen ,Soda-Club'-Kohlensäurezylinder können Sie gegen Zahlung einer Mietvorauszahlung, gemäß den Bedingungen auf dem Benutzerzertifikat, von Ihrem ermächtigten ,Soda-Club'-Einzelhändler, zur Leihgabe, erhalten.“ Bei „Saturn“ schütteln sie den Kopf: leider ausverkauft! Wieder ins Auto, 30 Kilometer fahren, Gasbehälter kaufen und zurück.

Kann es sein, daß Greenpeace und Grüne sich geirrt haben? Jetzt fährt vielleicht ein LKW aus Italien weniger, dafür flitzen zweitausend „Soda-Club“-Besitzer in der Gegend rum und suchen Flaschen und Kohlensäurezylinder. Taschenrechner her: Ich kann vier Jahre lang ausländisches Mineralwasser trinken, bevor sich meine Maschine plus Zusatzgeräte und Spritgeld amortisiert hat.

Und noch was: Wasser aus diesen blöden Maschinen schmeckt total beschissen! Manchmal ist politische Unkorrektheit einfach leckerer.

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