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Kosovaren in Berlin: Das Boot bleibt leer

■  Berlin nimmt offiziell 220 Kosovaren auf. Kapazität wäre größer. Innenstaatssekretär Böse spricht von „einmaliger Aktion“. Ausländerbeauftragte John rechnet mit weiteren Flüchtlingen, die durch Schlepper kommen

Berlin wird in den nächsten Tagen offiziell 220 Flüchtlinge aufnehmen. Es handele sich dabei um eine „einmalige Aktion“, betonte Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) gegenüber der taz. Die Flüchtlinge bekämen eine dreimonatige, befristete Aufenthaltsbefugnis. Kapazitäten hätte das Land weitaus mehr: Man könne „kurzfristig mehrere hundert Flüchtlinge unterbringen“, so der Sprecher der Gesundheitsverwaltung, Christoph Abele.

Die Innenministerien hatten sich gestern darauf geeinigt, 10.000 Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Sie werden nach einem unter den Bundesländern vereinbarten Schlüssel verteilt, danach kommen nach Berlin 220. Der Bund zahlt 500 Mark pro Person, den Rest übernimmt das Land. Die Kosten liegen bei insgesamt 1.300 Mark pro Person und Monat.

Die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John (CDU), geht davon aus, daß neben den Kontingentflüchtlingen zusätzlich „einige hundert“ nach Berlin flüchten werden, meist mit Hilfe von Schleppern. Vor Ausbruch des Krieges seien bereits monatlich 100 bis 200 Menschen aus Ex-Jugoslawien gekommen. Insgesamt leben in Berlin derzeit 12.500 ex-jugoslawische Flüchtlinge, 80 Prozent von ihnen kommen aus dem Kosovo.

Laut John sei aber nicht mit einer so großen Anzahl von Flüchtlingen zu rechnen wie während des Bosnien-Krieges. Berlin hatte damals rund 30.000 Flüchtlinge aufgenommen, die Hälfte von ihnen ist nach Bosnien zurückgekehrt. Die Bosnien-Flüchtlinge konnten, anders als jetzt, das Bundesland frei auswählen.

Der Krieg betrifft auch die noch in Berlin lebenden bosnischen Flüchtlinge: „Diejenigen, die freiwillig zurückkehren wollen, sind dazu derzeit technisch nicht in der Lage“, so die Einschätzung Johns. Sie verwies darauf, daß der Flughafen von Sarajevo geschlossen ist und Bahnlinien gesprengt wurden. Unterdessen hat die Innenverwaltung alle Abschiebungen von Bosnienflüchtlingen ausgesetzt – denn diese werden nur per Flugzeug abgeschoben. Rund 15 Flüchtlinge wurden deswegen aus der Abschiebehaft entlassen und werden jetzt weiterhin in der Stadt geduldet.

Die Sprecherin des Flüchtlingsrats, Frauke Hoyer, sprach sich gestern dafür aus, daß Deutschland 250.000 Flüchtlinge aufnehmen solle. Sie forderte, daß die Menschen nicht in Heimen, sondern in Wohnungen leben und eine Arbeitserlaubnis bekommen sollten. „Die Flüchtlinge aus dem Kosovo sollen nicht so verwahrt werden wie bisher die Bosnien-Flüchtlinge.“ Julia Naumann

Siehe auch Seite 20

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