: Staatlicher Lohnentzug
■ Hamburg kürzt seinen öffentlichen Arbeitern bei Krankheit den Lohn
Trotz einer Schlappe vor Gericht bleibt das Personalamt des Hamburger Senats hart. Arbeitern des öffentlichen Diensts wird im Krankheitsfall das Gehalt nach Ende der Lohnfortzahlung erbarumgslos gekürzt, selbst wenn die Betroffenen längst wieder gesund sind und arbeiten. Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) läuft gegen diese Regelung Sturm. „Die Stadt möchte das tariflich übernommene Vorleistungsrisiko auf die Beschäftigten abwälzen“, schimpft ÖTV Vizechefin Sieglinde Fries, „um so den Haushalt zu entlasten“.
Im öffentlichen Dienst gelten nunmal andere Gesetze. Während ein Malocher in der Wirtschaft erst am Ende des Monats seinen Lohn bekommt, gilt für Behörden die Regelung, daß bereits zum 15. eines Monats das Geld überwiesen wird. Das haben die Tarifpartner vor Jahren vereinbart.
Die angespannte Haushaltslage zwingt die Stadt nun, sämtliche Tricks auszunutzen, um ein paar Mark vorübergehend für sich arbeiten zu lassen. Die glorreiche Idee des Personalamts: Ist jemand nur ein paar Tage krank, wird ihm automatisch nach sechs Wochen der Lohn gestrichen. „Zu Beginn der Krankheit wird ein Vermerk in den Computer eingegeben: ,voraussichtlich sechs Wochen krank'“, erläutert Sieglinde Fries, „so daß nach Ende der Lohnfortzahlung das Gehalt gekürzt wird“.
Der Betroffene merkt erst bei der Monatsabrechnung, also wenn die Miete bereits fällig ist, daß viel zu wenig Geld auf dem Konto eingegangen ist. Erst nach einer Intervention seinerseits wird die Abrechnung korrigiert. Der einbehaltene Betrag wird dann mit dem nächsten Lohn nachgezahlt. „Wir empfehlen allen betroffenen Kollegen, denen durch fehlerhafte Lohnfortzahlung ein Zinsschaden entstanden ist, ihn gerichtlich einzuklagen“, appelliert Fries.
Die Chancen stehen gut: Erst vor kurzem verurteilte das Arbeitsgericht die Stadt in einem Musterprozeß, einem Arbeiter die angefallenen Zinsen von 3,44 Mark zu erstatten. Zur Begründung hieß es: Die Stadt habe „ihre tarifliche Verpflichtung nicht erfüllt.“ Doch der Senat läßt nicht locker. Er legte Berufung ein. Kai von Appen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen