piwik no script img

Drogenverdacht per Sehvermögen

■ Bisher hat die Berliner Polizei 150 Blutabnahmen wegen Drogenverdachts am Steuer durchgeführt. Grundlage dafür ist der umstrittene „Drugwipetest“, der noch unausgereift ist

Seitdem die Polizei im Herbst vergangenen Jahres begonnen hat, Drogen am Steuer zu bekämpfen, liegen jetzt erstmals Zahlen vor. Nach Angaben von Ralf Spiller von der Landesschutzpolizei wurden nach gezielten Drogenverdachtskontrollen zwischen November vergangenen Jahres und Februar dieses Jahres etwa 150 Blutkontrollen durchgeführt. Grundlage dafür war der umstrittene „Drugwipetest“. Bis auf einen Fall sei das Gerät zuverlässig gewesen, betont Spiller. Das heißt, die anschließenden Blutkontrollen haben die Positivanzeigen der „Drugwipes“ bestätigt. Bei über der Hälfte der Kontrollen wurde Cannabis nachgewiesen. Der Rest waren Kokain, Amphetamine und Mischdrogen. Angaben zum Führerscheinentzug oder Geldstrafen, die seit Einführung des neuen Straßenverkehrsgesetzes im August 1998 drohen, gibt es bisher jedoch nicht.

Bei dem Drogenschnelltest wird mit einem Gerät, ähnlich einem Fieberthermometer, unter der Achselhöhle ein Schweißabstrich durchgeführt. Verfärbt sich das Sichtfenster des Röhrchens innerhalb von zwei Minuten, kann wegen des Verdachts der Drogeneinnahme eine Blutabnahme durchgeführt werden. Es gibt Testgeräte für Cannabis, Kokain, Amphetamine und Ecstasy. Besonders problematisch ist es bei Cannabis, weil Cannabinoide im Blut bis zu fünf Wochen nach dem Konsum nachgewiesen werden können und zudem in dem neuen Straßenverkehrsgesetz keine Grenzwerte festgelegt sind.

Spiller räumt zwar ein, daß nicht jede Verfärbung auf Drogen zurückzuführen sei. Doch mit „vernünftigem Sehvermögen“ des Kontrollierenden sei das in den Griff zu bekommen. Er verweist auf die 500 Beamten, die bisher in Drogenerkennungsseminaren geschult wurden und setzt darauf, daß viele Schulungen eine „hohe Trefferrate“ garantieren.

Eine „riesige Ungerechtigkeit“ nennt der Vorsitzende Richter am Lübecker Landgericht, Wolfgang Neskovic, die Verfolgung von Cannabis-Konsumenten. Neskovic hat wesentlich dazu beigetragen, daß der Besitz von kleinen Haschischmengen zum Eigenverbrauch nicht mehr verfolgt wird. In den fehlenden Grenzwerten für Cannabis sieht er einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Spiller von der Landesschutzpolizei sagte dazu gegenüber der taz, daß es „auf Dauer nicht durchzuhalten ist, die Grenzwertdiskussion außen vorzuhalten“.

Während die Berliner Polizei die Verläßlichkeit des Testgerätes lobt, ist es nach Angaben der Münchener Herstellerfirma Securetec jedoch noch immer verbesserungswürdig. Neben Berlin sind Sachsen und Baden-Württemberg die einzigen Bundesländer, die die Geräte bisher einsetzen. Ende April soll es in Berlin ein Treffen der Polizei mit der Herstellerfirma geben. Ab Juni sollen in einem einjährigen EU-Test mehrere Geräte erprobt werden.

B. Bollwahn de Paez Casanova

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen