Sondierungen via Moskau

■ Ungeachtet diplomatischer Bemühungen um den Kosovo-Konflikt gehen die Nato-Angriffe auf Restjugoslawien weiter. Deutschland schlägt der EU einen "Stabilitätspakt" für den Balkan vor

Nach Beginn der dritten Woche der Nato-Luftangriffe gegen Restjugoslawien werden in verschiedenen europäischen Hauptstädten vorsichtig die diplomatischen Strippen gezogen und Positionen ausgelotet. Der russische Außenminister Igor Iwanow konstatierte gestern diplomatische Fortschritte. Iwanow sagte nach Treffen mit dem OSZE-Vorsitzenden und norwegischen Außenminister Knut Vollebaek in Moskau, seine jüngsten Gespräche in Westeuropa zeigten, daß die Diplomatie einen Beitrag zur Lösung der Krise leiste.

Iwanow lobte den französischen Vorschlag vom Vortag, die Arbeit an einer politischen Lösung des Konflikts auf der Grundlage des Abkommens von Rambouillet fortzusetzen. Das Abkommen selbst sei zwar Geschichte, aber Teile davon sollten beibehalten werden.

Demgegenüber betonte Vollebaek, der Vertrag von Rambouillet solle nicht aufgegeben werden. Das Abkommen wurde nur von der kosovo-albanischen Delegation unterzeichnet. Vollebaek ist der erste Außenminister eines Nato-Staates, der seit Beginn der Nato-Luftangriffe auf Jugoslawien am 24. März Rußland besucht. Rußland hat die Angriffe wiederholt heftig kritisiert.

Vorsichtiger Optimismus auch in Bonn: Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Wolfgang Ischinger, rechnet bald mit einem erweiterten Waffenstillstandsangebot Jugoslawiens. Im Inforadio Berlin-Brandenburg sagte Ischinger gestern nach einem Gespräch mit dem stellvertretenden russischen Außenminister Alexander Awdejew: „Ich bin ganz sicher, es wird nicht lange dauern und das Angebot aus Belgrad wird nachgebessert werden.“ Rußland stehe „im intensiven Gespräch“ mit der jugoslawischen Führung.

Ischinger will am Sonntag im Auftrag von Bundesaußenminister Joschka Fischer wegen der Kosovo-Krise nach Moskau fliegen. Der Staatssekretär bekräftigte, die fünf westlichen Staaten der Balkan-Kontaktgruppe und die Nato hielten am Forderungskatalog an den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević fest.

Um die Region langfristig zu befrieden, hat die deutsche EU-Ratspräsidentschaft einen Stabilitätspakt für den Balkan vorgeschlagen. In einem Positionspapier, das vor dem EU-Außenministertreffen zur Kosovo-Krise gestern in Luxemburg bekannt wurde, werden die EU und die OSZE aufgefordert, sich für Abrüstung und Demokratisierung auf dem Balkan einzusetzen. Den Anstoß für einen Stabilitätspakt könne eine hochrangig besetzte Konferenz geben. Ziel müsse eine aktive Stabilitätspolitik der EU und nicht länger nur ein Reagieren auf Krisen sein.

Zudem müßten zusätzliche Anreize über eine Geber- und Wiederaufbaukonferenz gegeben werden. Auch müsse die EU den Ländern der Region die Perspektive eines Beitritts bieten. Frieden und Stabilität in der Region werde es so lange nicht geben, wie Jugoslawien sich als „Außenseiter“ betrachte und von seinen Nachbarn als Gesprächspartner nicht akzeptiert werde, heißt es weiter.

Ungeachtet der diplomatischen Aktivitäten ging die Nato-Offensive auch gestern weiter. Flugzeuge und Marschflugkörper der Allianz zerstörten in der Nacht zum Donnerstag und am Morgen erneut Ziele in der Belgrader Innenstadt, in Priština und verschiedenen anderen Orten. Auch serbische Truppen im Kosovo wurden wieder angegriffen. Nach jugoslawischen Angaben wurden mindestens drei Zivilisten getötet, als ein Geschoß in eine Klinik im Zlatibor-Gebirge 200 Kilometer westlich von Belgrad einschlug.

Die Nato meldete den Verlust eines unbemannten Aufklärungsflugkörpers. Sie kündigte an, ihre Piloten würden trotz schlechteren Wetters in den nächsten Tagen verstärkt Truppen im Kosovo angreifen und dabei auch höhere Risiken im Tiefflug eingehen. „Es war eine gute Nacht“, kommentierten Nato-Vertreter ihre Bilanz der jüngsten Angriffe. Reuters/AFP