: taz – Schwanz ab oder Zopf ab?
Was ich der taz zum Zwanzigsten wünsche (IV): Neues Futter für zwei ihrer heiligen Kühe – Frauenthemen und Polit-Elan. Ein Cafégespräch ■ von Heide Oestreich und Patrik Schwarz
Patrik Schwarz: Ja, Frau Frauenredakteurin, Sie haben ja nun einen der traditionsreichsten Posten in diesem Haus. Was sind denn Ihre feministischen Ziele?
Heide Oestreich: Ziele, Ziele, da sag ich besser erst mal wortreich nix, ich bin ja neu in dem Job. Also...
Das klingt ja, als hättest du ganz düstere Motive gehabt, zur taz zu kommen?
Na klar: Mord, Totschlag, die feministische Unterwanderung! Da muß man sich aber erst ein bißchen bedeckt halten...
Bist du denn hier, weil du politisch was umsetzen willst?
Du meinst, was ist der Auftrag der taz-Frauenredakteurin? Bin ich hier, um Schwänze abzuschneiden?
Genau!
Also interessant ist schon, daß mir der Job „Frauenredakteurin“ nicht angepriesen wurde, sondern mit ungefähr 50 Vorwarnungen versehen wurde.
Und was droht dir angeblich?
Zum Beispiel die Gefahr, zur Gesamt-Frauenbeauftragten der taz zu werden.
Aber das bist du doch! Ich bin jedenfalls immer davon ausgegangen, daß das der Job der Frauenredakteurin ist.
Nix da. Das ist nicht meine Rolle. Wenn diese Zeitung meint, Sexismus steht ihr nicht an, dann muß diese Zeitung dafür sorgen, daß Sexismus nicht stattfindet. Ich habe überhaupt keine Lust, mit erhobenem Zeigefinger dazustehen und bei jeder Bildunterschrift, die mir über den Weg läuft, zu sagen: Das ist jetzt aber sexistisch.
Aber das verstehe ich ja nicht an euch Frauenredakteurinnen: Warum ihr freiwillig einen Job macht, der so moralisch ist. Ich würde doch auch nicht Redakteur für gute Werke sein wollen. Das widerspricht völlig dem Gedanken, Journalist zu sein, weil das heißt, kritisch zu sein.
Das ist natürlich ein Klischee, das du im Kopf hast! Also, warum ich den Job mache: Frauen, das ist für mich ein Themenbereich wie jeder andere. Mich interessiert es eben: diese Gesellschaft, in der es patriarchale Strukturen mit all ihren Folgeerscheinungen gibt. Dazu gehören auch die etwas hardcore- mäßigen Auswüchse in der Frauenbewegung...
...was? Die Auswüchse der Frauenbewegung sind Schuld der Männer? Weil wir Ärsche sind, sollen wir auch noch für eure Ärsche verantwortlich sein?
Ja, natürlich!
Was hat das mit uns zu tun?
Du verwechselst jetzt Struktur und handelnde Personen. Das heißt, du, Patrik Schwarz, bist nur ein ganz kleines Stück schuld, indem du deine strukturelle Vorbelastung nicht reflektierst. Genauso wie das Kapital Charaktermasken trägt, trägt auch das Patriarchat...
...um Gottes willen! Woher kennst du nur solches Vokabular? Dir kommt das alles so selbstverständlich über die Lippen.
Das ist Karl Marx.
Eben. Ich kenn' das nur aus Satiresendungen über die DDR.
Wirklich? Bei uns gab es im Grundstudium Kapital-Kurse. Was nicht heißt, daß man da besonders weit kommt. Weil das gefürchtete dritte Kapitel des ersten Bandes... Aber lassen wir das. Vielleicht sollten wir wieder zum Thema taz zurückkehren: Was willst du da eigentlich?
Also nicht Politik machen jedenfalls, sonst wäre ich Politiker geworden. Ich will vor allem journalistisch viel ausprobieren – und das heißt auch, Fehler machen zu dürfen. Fehlerfreundlichkeit ist eine ganz wichtige Sache. Anderswo ist es oft so, daß du nur an Sachen herangelassen wirst, die du schon perfekt beherrschst. Die taz billigt einem zu, daß man von Mal zu Mal dazulernt.
Die taz als Selbsthilfekurs.
Ich bin mir schon bewußt, daß das ein relativ hedonistisches Selbstverständnis ist. Da gibt's natürlich auch anderes, was mich an die taz bindet: eine romantische Zuneigung. Die taz versucht immer wieder, mich zu verführen – und wie das mit der Schönheit so ist, speist sie sich aus inneren und äußeren Werten: den Inhalten und der Optik. Das ist ein Charme, dem ich erlegen bin.
Aber was ist denn mit dem politischen Medium taz? Der Zeitung, die Themen setzt, die sie für wichtig hält, während die anderen noch heiße Luft ventilieren?
Das gehört doch dazu. Wobei ich finde, wir trauen uns das zu selten. Die taz muß eine Girlandenzeitung sein. Wir müssen den Lesern, die ohnehin schon relativ gut informiert sind, etwas bieten, was sie nur bei uns finden können.
Bleibt noch die Krise der taz.
Welche Krise?
Ich bin ja noch nicht so lange da, aber es gibt hier eine Sitzung nach der anderen, wo über das Problem der taz geredet wird.
Aber das hat mit einer Krise nichts zu tun. Andere Verlagshäuser reden von Aufbruch, Innovation und Herausforderung. Wir verwenden dafür die Worte Krise, Schwierigkeit und Problem. Das ist ein klassisch linker Gestus.
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