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Spiel mir das Lied vom Slibowitz

Wahrscheinlich die schnellste Blaskapelle zwischen Rumänien und Makedonien: Fanfare Ciocarlia brachten mit 180 Beats per Minute den Pfefferberg zum Beben und demonstrierten, warum sich Blaskapellenpunk zum Ska der neunziger Jahre entwickelt hat    ■ Von Daniel Bax

Die Musiker der Fanfare Ciocarlia sind Schlitzohren. Die Gypsie-Brassband aus dem Nordosten Rumäniens rühmt sich, wenn schon nicht die beste, so doch immerhin die schnellste Blaskapelle der Region zu sein. Denn Blaskapellen gibt es viele zwischen Rumänien, Bulgarien, Serbien und Makedonien. Doch nur wenige dieser Ensembles haben es verstanden, im Westen so rasant Karriere zu machen wie dieses rasante Roma-Orchester aus dem Vierhundert-Seelen-Dorf Zece Prajini. Im letzten Jahr spielte die Band in Berlin ihr erstes Album ein, eine Visitenkarte, welche den Triumphzug durch die Konzertbühnen Westeuropas ermöglichte.

Mittlerweile sind die Fanfaren Ciocarlia auf dem besten Wege, die Posaunen von Jericho zur Fußnote der Geschichte zu degradieren. In gestärkter Bundfaltenhose, halboffenem Hemd und akkurat nach hinten geöltem Haar aufgereiht, starten die elf Musiker im Pfefferberg aus dem Stand in ihr Hochgeschwindigkeitsstakkato, anfänglich noch etwas statisch, dann zunehmend in routiniert entfesselte Ekstase hinübergleitend. Mit Pauken und Trompeten, Tuba, Klarinette und Posaune zünden sie einen Bläsersatz nach dem anderen, die Effekte gezielt setzend. Streckenweise macht das den Eindruck einer absurden Zirkusnummer mit atemloser Instrumentalakrobatik. So schnell sie spielen, so schnell sind die Stücke wieder vorbei, getreu der Rock'n'Roll-Maxime, daß kein Stück länger als drei Minuten dauern sollte.

„Ob das Konzert auch so schnell zu Ende ist?“, fragt jemand. Doch eher geht dem Publikum die Puste aus. Aus sicherer Entfernung betrachtet, fällt es leichter, sich dem Sog des Blechs zu entziehen. Vor der Bühne dagegen, wo wilder Balkan-Pogo tobt, gerät selbst die Flaschenbierfraktion in Wallung, wogt mit im Takt der Horas und anderer Hochzeitstänze. Eine schweißtreibende Angelegenheit. Aber wer sich nicht bewegt, hat verloren und wird auf die hinteren Plätze verwiesen. Eine Rumänin steigt auf die Bühne, flirtet bauchtanzend mit den Musikern und stiehlt ihnen fast die Show. Mit Handkuß wird sie später entlassen. „A wonderful gypsy woman“ schwärmt der Klarinettist.

Landsleute sind allerdings in der Minderheit. Angezogen von der traditionellen Dorfmusik des Balkans fühlt sich ein Publikum, das freiwillig keinen Fußbreit in ein bayrisches Bierzelt setzen würde, das aber doch eine gewisse Lust am Rustikalen empfindet und Befriedigung im Dionysischen. Spiel mir das Lied vom Slibowitz! Durch Filme wie „Time of the Gypsies“ und „Gadjo Dilo“ bestens eingeführt, hat sich der balkanische Blaskapellenpunk zum Ska der neunziger Jahre entwikkelt. All that Brass, mit mindestens 180 Beats pro Minute – nicht gerade die Musik, die man vor dem Frühstück hören mag. Aber mit zwei, drei Bier geht das schon.

Kaum warmgespielt, ist nach zwei guten Stunden allerdings schon Tusch und Schluß. Eine leichte Fingerübung für die Fanfaren, die es gewohnt sind, auf Hochzeiten bis zu zwei Tage hintereinander zu spielen, bis zum Umfallen. Steckt man dann einen Geldschein in die Tuba, geht es gleich weiter. Das macht im Pfefferberg dann doch keiner – so balkanisch ist man in Berlin noch nicht. Kann aber noch werden.

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