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Kosovo-Reisediplomatie von Moskau bis Brüssel

■ Die Nato verstärkt ihre Luftstreitkräfte und will die Angriffe auf Jugoslawien ausweiten

Während die Nato ihre Luftangriffe gegen Jugoslawien auch am orthodoxen Ostersonntag fortgesetzt hat, liefen die Bemühungen um eine politische Lösung auf verschiedenen Ebenen auf Hochtouren. Dabei stand erneut der Versuch im Mittelpunkt, Rußland in die Sondierungen miteinzubeziehen.

Gestern abend wurde der Staatssekretär des Bonner Außenministeriums, Wolfgang Ischinger, zu Gesprächen mit dem russischen Außenminister Igor Iwanow erwartet. Diese Begegnung dient auch dem Ziel, ein Treffen der Außenminister aus den sieben wichtigsten westlichen Industriestaaten und Rußlands (G8) zustandezubringen. Die Regierung in Moskau hatte wiederholt ein solches Treffen zum Thema Kosovo gefordert. Iwanow wird sich morgen in Oslo auch mit Madeleine Albright treffen, die gestern nach Brüssel aufbrach.

Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan schloß sich der internationalen Reisediplomatie an. Er kam gestern zu zweitägigen Kosovo-Krisengesprächen in Madrid an. Annan hatte am Freitag einen Vorstoß zur Beendigung des Blutvergießens im Kosovo unternommen. Er legte Jugoslawien einen Fünf- Punkte-Katalog mit Forderungen vor und versprach zugleich, sich nach deren Erfüllung durch Belgrad für eine Einstellung der Luftangriffe der Nato einzusetzen. Im einzelnen forderte Annan ein Ende der Einschüchterung und Vertreibung der Kosovo-Albaner, einen Abzug der jugoslawischen Truppen aus der südserbischen Provinz und die Akzeptanz einer internationalen Truppe zur Herstellung einer sicheren Umgebung für eine Rückkehr der Flüchtlinge.

Diese Bedingungen entsprechen im wesentlichen denen der Nato für ein Ende der Luftangriffe. Die Allianz warf in der Nacht zum Sonntag 2,5 Millionen Flugblätter über Jugoslawien ab, in denen diese Punkte aufgelistet waren.

Die Nato kündigte unterdessen an, ihre Präsenz vor Ort weiter zu verstärken. Der Nato-Rat gab grünes Licht für die Entsendung von 8.000 Nato-Soldaten nach Albanien. Sie sollen in der Mission „Allied Harbour“ (Alliierter Hafen) die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge aus dem Kosovo unterstützen. Soldaten aus den USA, Frankreich, Italien und Griechenland sind bereits vor Ort.

Spekulationen, wonach diese Soldaten Teil einer Einsatztruppe im Kosovo werden könnten, wies die Nato zurück. Der Einsatz von Bodentruppen steht nach Äußerungen führender Politiker der Allianz nicht auf der Tagesordnung. „Es gibt keine Notwendigkeit, über die von der Nato autorisierten Operationen hinauszugehen, die auf eine Schwächung des serbischen Unterdrückungsapparats abzielen“, sagte Nato-Generalsekretär Javier Solana zu diesem Thema. In der spanischen Zeitung El Periodico de Catalunya bekräftigte er, die Nato verfolge die Strategie, mit Luftangriffen das Militär so weit zu schwächen, daß es zu einem Waffenstillstand komme. Erst danach sollten Bodentruppen nach Jugoslawien entsandt werden, um die Rückkehr der Flüchtlinge zu überwachen.

Die Allianz kündigte eine weitere Verstärkung der Luftstreitkräfte an. Die USA stellen weitere 82 Flugzeuge, darunter 30 Jagdbomber, zur Verfügung. US-General Charles Wald sagte in Washington, die Angriffe sollten bei Tag und Nacht ausgeweitet werden. Mit den zusätzlichen Maschinen – auch Frankreich bot drei weitere Mirage 2000D an – verfügt die Nato über etwa 700 Flugzeuge, davon fast 500 aus den USA. Großbritannien kündigte die Entsendung eines Flugzeugträgers „HMS Invincible“ in die Adria an.

Das serbische Staatsfernsehen meldete in der Nacht zum Sonntag heftige Luftangriffe auf mehrere Städte im Kosovo, darunter Priština, Djakovica und Prizren. Allein rund um Priština seien mehr als 50 Raketen eingeschlagen. Dabei sei das Gebäude des Zivilflughafens Slatina zerstört und die Landebahn beschädigt worden. Nach Angaben des halboffiziellen serbischen Mediazentrums aus Priština gab es zivile Opfer. Während sich die Nato nicht zu den Verletzten oder Getöteten äußerte, spricht Belgrad nach Angaben der spanischen Zeitung El Pais von bisher 300 Toten und 3.000 Verletzten. dpa/Reuters/AFP

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