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Papier ist ungeduldig

Militärische Maßnahmen sollten im Abkommen von Rambouillet ausgespart bleiben. Doch der Westen entschied anders – und Jugoslawien verweigerte die Diskussion  ■ Von Andreas Zumach

Der Text des Abkommens von Rambouillet ist nach den Entwicklungen, die seit Beginn der Nato- Luftangriffe am 24. März eingetreten sind, zwar Makulatur. Die französiche Regierung arbeitet bereits an einer Neufassung. Doch in der Begründung für die Luftangriffe durch die Bundesregierung und ihre Nato-Partner spielten der Verlauf der Konferenzen von Rambouillet (6. bis 23. Februar) und Paris (15. bis 18. März) und die Weigerung der Regierung Milošević zur Unterzeichnung des Abkommens eine zentrale Rolle. Was vor und während der beiden Konferenzen geschah, ist zwischen Belgrad und der Nato wie auch in Teilen der westlichen Öffentlichkeit heftig umstritten.

Die Vorarbeiten für Rambouillet wurden seit dem letzten Herbst durch den US-Botschafter Christopher Hill betrieben. Doch Hills intensive Shuttle-Diplomatie zwischen der Regierung in Belgrad und verschiedenen Fraktionen der Kosovo-Albaner erbrachte keine Vereinbarung. Daraufhin entwickelte die Balkan-Kontaktgruppe (USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Rußland) auf Grundlage von Hills Arbeiten einen ersten Entwurf für eine Autonomie-Regelung für das Kosovo. In der zweiten Januarhälfte verpflichtete die Kontaktgruppe beide Konfliktparteien auf „Grundregeln“ für Verhandlungen. Nach diesen Regeln sollte über militärische Maßnahmen zur Durchsetzung einer Autonomieregelung – sprich über die Stationierung einer internationalen Truppe – erst nach einer grundsätzlichen Vereinbarung verhandelt werden.

Dementsprechend enthielt der erste Textentwurf der Kontaktgruppe mit Datum vom 27. Januar, der den beiden Konfliktparteien zum Auftakt der Konferenz von Rambouillet vorgelegt wurde, keinen militärischen Implementierungsteil. Zudem gab es zu diesem Zeitpunkt auch noch keine endgültige Bereitschaft der USA zur Teilnahme an einer Implementierungstruppe. Im Verlauf der Rambouillet-Konferenz machten die Kosovo-Albaner deutlich, sie würden – wenn überhaupt – nur ein Abkommen unterzeichnen, in dem eine Nato-geführte Implementierungstruppe vorgesehen ist. Die fünf westlichen Mitglieder der Kontaktgruppe legten daraufhin entsprechende Textentwürfe vor – darunter den im endgültigen Entwurf vom 23. Februar enthaltenen militärischen Annex B.

Von dieser Phase der Konferenz an bezeichneten die fünf westlichen Kontaktgruppen-Staaten den Entwurf für eine Autonomie- Regelung und die Vorschläge für die militärische Implementierung als „unauflösliches Paket“. Die Delegation Belgrads sah in der Vorgehen einen Verstoß gegen die vorab vereinbarten Grundregeln für die Rambouillet-Konferenz und verweigerte bis zum Schluß jegliche Diskussion über die Vorschläge zur militärischen Durchsetzung. Von Rußland wurden diese Vorschläge – entgegen allen anderslautenden Darstellungen des Westens – in keiner Phase der Konferenz von Rambouillet mitgetragen.

Die grundsätzliche Weigerung Belgrads über die Vorschläge zur militärischen Implementierung zu diskutieren, ermöglicht dem Bonner Auswärtigen Amt heute die Darstellung, diese Vorschläge seien „verhandelbare Maximalpositionen“. Von der taz befragte Militärs in der Brüsseler Nato-Zentrale und mehren Verteidigungsministerien von Nato-Staaten sehen dies anders: Für sie ist es unverzichtbar, daß die Nato zur Durchführung einer Implementierungsrolle im Kosovo uneingeschränkte Bewegungsfreiheit in ganz Ex-Jugoslawien benötige. Tatsache ist: Weder die Belgrader Delegation noch die Kontaktgruppe hat vor oder während der Rambouillet-Konfernez jemals irgendwelche Vorschläge gemacht für eine Alternative zu einer Nato- Truppe – z. B. für eine vom UNO- Sicherheitsrat oder der OSZE mandatierte Truppe mit starker Beteiligung russischer Verbände.

Der 82seitige Entwurf für ein Abkommen in seiner Fassung vom Schlußtag der Rambouillet-Konferenz am 23.2. ist das Papier, das die Kosovo-Albaner am 18. März auf der Folgekonferenz in Paris unterschrieben haben. Entgegen der Darstellung Belgrads wurde der Text zwischen Rambouillet und Paris nicht noch einmal von der Kontaktgruppe verändert. Nach Paris brachte die Delegation der Belgrader Regierung ihrerseits einen 40seitigen Alternativentwurf mit, in dem Veränderungen von rund 70 Prozent der Autonomie- Regelung des Entwurfs der Kontaktgruppe verlangt wurden.

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