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Toppmöller setzt auf Nachwuchs, Risiko und Stil

■ Sind Jungprofis zu grün für den Bundesliga-Abstiegskampf oder gut, da unbeschwert? Beim VfL Bochum singt man seit dem 2:0 über 1860 München der „Unbekümmertheit“ ein Loblied

Bochum (taz) – Die Talentspäher dürften morgen auf dem Bökelberg für eine gut gefüllte VIP- Zone sorgen. Wenn der VfL Bochum bei Borussia Mönchengladbach antritt, treffen zwei Klubs mit gut funktionierender Nachwuchsarbeit aufeinander. Deisler und Enke auf der einen, Bastürk, Buckley, Schindzielorz oder Mahdavikia auf der anderen Seite. So gut veranlagte Nachwuchsspieler hat nicht jeder Bundesligist.

Die Trainer Rainer Bonhof und Klaus Toppmöller sind allerdings in ihrem Bemühen, auf die Jugend zu setzen, derzeit unterschiedlich erfolgreich. Bei der juvenilen Borussia machen die Kritiker „Unerfahrenheit“ und „fehlende Cleverneß“ für den Niedergang mitverantwortlich. Beim VfL Bochum hingegen lobt man seit dem sonntäglichen 2:0 über 1860 München allerorten die „jugendliche Unbekümmertheit“ der Elf. Talente im Abstiegskampf: Zu grün oder herrlich unbeschwert – was stimmt denn nun? „Wahrscheinlich beides“, meint Bochums Torwart Thomas Ernst und unterstreicht damit, daß es keine letzten Wahrheiten gibt. Und wenn es sie gäbe, würde VfL-Trainer Klaus Toppmöller sie vermutlich ignorieren.

Denn er coacht seine Mannschaft so ganz anders, als es Kollegen in vergleichbarer Lage tun. Anstatt „Sicherheit zuerst“ zu proklamieren, setzt er in der Abwehr auf die Viererkette. Gegen 1860 verteidigten Toplak und Sundermann auf den Außenbahnen gegen die offensiven Cerny und Heldt. Die Innenverteidiger Kracht und Waldoch setzten sich mit den Stürmern Winkler und Schroth auseinander. So kamen die Bochumer Abwehrspieler bei fehlender Absicherung immer wieder in 1:1-Situationen. Riskant, aber effektiv – zumal sich die Münchner in den Zweikämpfen nie behaupten konnten. Ungewöhnlich auch, daß Toppmöller im Abstiegskampf nicht den rustikalen Fußball mit klaren, sachlichen Aktionen einfordert, sondern auf Kurzpaßspiel und forsche Dribblings setzt. Das ist ein Kurs, der der Mannschaft gefällt. „Natürlich fängst du an zu überlegen, wenn es nicht läuft“, sagt Ernst. „Aber den Stil zu ändern, das ist für uns kein Thema. Wir sind eine spielerische Mannschaft.“

Der VfL versuchts's also mit Ruhe und Kontinuität. Auch wenn das Publikum schon einmal murrt. „Daß bei unserem Tabellenstand negative Einflüsse von außen auf uns einströmen, war klar“, sagt Toppmöller, „aber dieser Sieg müßte uns Selbstvertrauen geben.“ Die Vergrößerung des Abstands zu Rang 16 auf vier Punkte ist vor allem darauf zurückzuführen, daß sein Nachwuchssturm nach nervösem Beginn richtig aufdrehte. Der schnelle Buckley (21) erzielte das 1:0, traf zudem einmal den Pfosten. Mahdavikia (21) bereitete nicht nur Buckleys Treffer, sondern auch Zeyers 2:0 vor. „Mehdi ist auf dem richtigen Weg“, sagt Toppmöller. „In den ersten Wochen hat er bei den Zweikämpfen immer gekniffen. Aber er hat viel gelernt.“

Enttäuschend war hingegen die Vorstellung der Münchner. Die Spieler wirkten kraftlos, die Aktionen behäbig. Vielleicht lag es am harten Training von Werner Lorant. Vielleicht zahlen sie diesesmal den Preis für ihre physisch aufwendige Spielweise. Auf jeden Fall blieb 1860 zum sechsten Mal in Folge ohne Sieg und fiel aus den Uefa-Cup-Rängen auf Platz 7 zurück. „Auf dem Platz muß Feuer sein, aber hier ist gar nichts los. Wenn wir gegen Bochum keine Tore machen, gegen wen dann?“ fragte ein mißgestimmter Libero Ned Zelic. Seine Mimik sprach nicht dafür, daß die richtige Lösung Leverkusen, Wolfsburg oder Bayern München lauten könnte. Aber so heißen die nächsten drei Gegner. Markus Geling

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