Kommentar: Mit ihm zieht eine neue Zeit
■ Schröder wird die SPD mehr verändern, als sie ahnt
Wahl zum SPD-Vorsitzenden und Balkan- Krieg – ganz gewiß hat Gerhard Schröder sich diese Verbindung nicht gewünscht. Doch da der Kosovo-Konflikt nun einmal die Geschicke beherrscht, hat er ihn genutzt. Deshalb hat er einen Antrag zur Politik der Nato abstimmen lassen, der exakt der Haltung der Bundesregierung entspricht. Deshalb hat er darauf gedrungen, die Auseinandersetzung in der Sache vor seine Wahl zum Parteivorsitzenden zu stellen. An beiden Abstimmungen wollte sich Schröder messen lassen.
Schröder hat es nicht in das Amt des Parteivorsitzenden gedrängt. Er hat zugegriffen, weil es keine Alternative gab. Auch will er der SPD den Freiraum einer Partei lassen, „die sich die Welt besser wünscht, als sie ist“. Doch wenn die SPD Einfluß auf die Regierungpolitik haben will, dann muß sie sich künftig in den Bahnen der Schröderschen Programmatik der Neuen Mitte bewegen. Dazu war der bisherige Parteivorsitzende Lafontaine nicht bereit. Der Kreis derjenigen in der SPD, denen es ähnlich geht, ist allerdings weit kleiner als erwartet.
Die Linke ist zur Zeit ohne strategische Perspektive und ohne personelle Alternative. Die Debatte über den Kosovo-Einsatz zeigt erneut, daß die Parteilager an Bedeutung verlieren. Die SPD verfolgt in der Landes- und Kommunalpolitik seit Jahren einen Kurs, der sich nicht in den Koordinaten rechts und links einordnen läßt, sondern das Bemühen ausdrückt, die Nase vorne zu haben. Schröder personifiziert diesen Ansatz. Er ist der zeitgemäße Vorsitzende einer solchen pragmatischen Sozialdemokratie. Es geht ihm in erster Linie nicht um die Durchsetzung von Parteibeschlüssen, sondern um die Moderation gesellschaftlicher Interessen.
Dieses Politikverständnis widerspricht der traditionellen Vorstellung, die noch so mancher von einer Partei als Ort der politischen Willensbildung hat. Konflikte sind deshalb in einem so anarchischen Haufen wie der SPD vorprogrammiert. Sein autoritärer Führungsstil wird Schröder helfen, diesen Streit zu bestehen. Er wird sich vor allem an einem Kriterium messen lassen müssen – am Erfolg. Scheitert er beim Wähler, wird ihm das die Partei mehr verübeln, als sie es bei früheren Vorsitzenden tat. Und die Partei wird sich daran gewöhnen müssen, von geringerer Bedeutung für die Bundespolitik zu sein, als sie es sich in sechzehn Jahren Opposition erträumt hat. Dieter Rulff
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