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Briefträger verzogen

Zwischen Michel und Hafen funktioniert die Post offenbar nicht wie sie soll  ■ Von Gernot Knödler

Auf St. Pauli scheint es einen Zauberwald für die Post zu geben, in dem Pakete zwar nicht auf Dauer verschwinden, aber doch vorübergehend; wo Sendungen irregeleitet werden und wo magische Kreise die BewohnerInnen umgeben, die kaum ein Bote durchdringen kann.

Viele Geschichten ranken sich darum: „Selbst wenn man zu Hause ist, findet man diese Kärtchen im Briefkasten ,Sie waren leider nicht anzutreffen, bitte holen Sie Ihre Sendung dort und dort ab'“, erzählt zum Beispiel Anne Geils. Als sei das nicht schon lästig genug, seien es viele unterschiedliche, zum Teil weit entfernte Postämter gewesen, wo sie ihre Sachen abholen sollte. „Das Extremste war Groß-Borstel“, erinnert sich Geils, die zwischen Michel und Hafen wohnt.

Post-Sprecherin Minou Esfahlani wundert das: Pakete könnten normalerweise immer in der nächsten größeren Filiale abgeholt werden. In der Regel seien solche Postämter höchstens zwei Kilometer vom Wohnort entfernt. Und das Problem der Abholkarten trotz Anwesenheit sei nicht notwendigerweise eines der Post, denn es trete auch bei sehr guten ZustellerInnen auf. „Es kann sein, daß die Kunden 'mal das Klingeln nicht hören.“

Doch die Liste der Merkwürdigkeiten läßt sich fortsetzen. Besonders unangenehm war für Anne Geils das Erlebnis mit den Video-bändern, die sie dringend vom NDR zurückhaben wollte. „Die kamen und kamen nicht“, sagt die Filmemacherin. Sie machte Dampf beim Sender, doch dort hieß es, die Bänder seien längst abgeschickt worden. Irgendwann tauchten die Tapes dann wieder beim NDR auf: Adressatin „unbekannt verzogen“.

Geils Kollegin Dorothea Karl wartete dringend auf ein Ersatzteil. Nach einer Woche, sagt sie, habe sie im Briefkasten eine Abholkarte gefunden, deren Datum schon ein paar Tage alt war. Auf den letzten Drücker konnte sie die wichtige Sendung abholen. Für den Streß gab's von der Post für fünf Mark Briefmarken – immerhin.

„Die Schwierigkeit ist, daß Sachen, die innerhalb Hamburgs verschickt werden, manchmal länger brauchen als von einem Kontinent zum anderen“, sagt eine andere St. Paulianerin. Sie will ihren Namen nicht genannt wissen, weil sie fürchtet, dann gar keine Post mehr zu bekommen. Seit Ende vergangenen Jahres schickt sie Pakete mit einem Kurierdienst. „Die Post ist einfach nicht mehr das, was sie einmal war“, behauptet sie.

Bertrand Schütz sieht das ähnlich. „Ich habe die Post bisher als äußerst zuverlässig erlebt“, sagt er. Bis er im vergangenen Jahr versuchte, sich ein Paket zustellen zu lassen, das bereits wieder auf der Rückreise war. Er hatte es nicht rechtzeitig abholen können und erst eine Telefon-odyssee führte dazu, daß er das Päckchen nach Wochen doch noch erhielt – ramponiert und geflickt, aber vollständig. Zwei andere Pakete seien nie angekommen.

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