: Ein Funke Hoffnung im Kirchenasyl?
■ Eine Delegation der Norddeutschen Mission bringt neue Informationen über die schlechte Menschenrechtslage in Togo mit / Schützling im Kirchenasyl könnte darauf Asylantrag begründen
Pastor Erich Viering ist kürzlich von einer Reise nach Togo zurückgekehrt. Dabei hat er neben dem Besuch von Partnergemeinden der Norddeutschen Mission auch die allgemeine Lage in Togo sondiert, wo General Gnassingbé Eyadema seit über 30 Jahren despotisch herrscht. Hintergrund der Recherchen ist die Sorge der evangelischen Christen um togoische Flüchtlinge in Bremen, denen die Abschiebung droht; die vierköpfige Familie Mensah* lebt deshalb seit Monaten im Schutz von Kirchengemeinden. George Mensah hatte als Augenzeuge die Übergriffe von Militärs auf Nachbarn fotografiert. Mehrere oppositionelle Zeitungen hatten die Dokumente veröffentlicht. Das Asyl in Bremen wurde dem Fotografen und seiner Familie jedoch verwehrt. Nach einem Gespräch zwischen Kirchenvertretern und VertreterInnen der Innenbehörde Ende vergangener Woche, bei dem die Kirchendelegation ausführlich von ihren Beobachtungen in Togo berichtete, erwägt die togoische Familie jetzt einen dritten Asylantrag zu stellen. Dabei können allerdings nur neue Hinweise auf Verfolgung und damit Gefährdung der Asylsuchenden berücksichtigt werden. Über die Beobachtungen der Kirchenleute sprach die taz mit dem Togo-Experten Erich Viering, der für die Norddeutsche Mission lange in Togo arbeitete.
taz: Herr Viering, wie sind Sie in Togo vorgegangen, um die Lage einschätzen zu können?
Erich Viering: Wir sind bewußt auf Menschen zugegangen, die sonst weniger befragt werden. Wir haben uns im muslimischen Milieu bewegt, das um Sokode in Zentraltogo liegt. Von dort kommen viele Flüchtlinge nach Bremen, von denen die meisten muslimischer Herkunft sind. Außerdem haben wir die Familie eines von Abschiebung bedrohten Flüchtlings besucht, um uns dort zu vergewissern, wie die Angehörigen die Lage gerade hinsichtlich einer Rückkehr ihres Sohnes und Bruders einschätzen.
Wie ist man Ihnen begegnet? Immer wieder wird ja berichtet, daß es sehr schwierig ist, angesichts politischer Repression in Togo glaubhafte Auskünfte über die politische Lage zu erhalten.
Leute, bei denen wir nicht eingeführt waren, blieben tatsächlich sehr zurückhaltend. Aber auch ausweichende Aussagen sind häufig sehr vielsagend. Beispielsweise haben wir vor der großen Moschee in Sokode, wo damals der große Politiker Djobo Boukari ums Leben gekommen war, viele Muslime nach der Lage befragt. Die Leute haben sich daraufhin abgewandt, in den Himmel geschaut und gesagt: „Wir sind da.“ Wir trafen dort übrigens auch einen Mann, der Wahlunterlagen für die Parlamentswahlen verteilte – ohne jede Kontrolle und Liste gab er Wahlzettel aus.
Die Wahlen haben ja inzwischen stattgefunden ...
Entsetzlicherweise. Trotz aller internationaler Warnungen und Versuche, Einfluß zu nehmen, ist nur die Einheitspartei des Machthabers Eyadéma angetreten. Deren Mitglieder stellen heute sämtliche Abgeordneten im Parlament.
Sie sind vorm Wahltag abgereist. Wie war die Stimmung im Land?
Die Bevölkerung hat den Parlamentswahlen mit großer Unruhe und Besorgnis entgegengesehen. Das Ausland wollte zwar Personen entsenden, um zwischen Opposition und Regierungspartei vor den Wahlen zu vermitteln – aber die kamen im undemokratischen Wahlverlauf gar nicht erst zum Zuge. Die Opposition hatte keinerlei Chance, ihre Kandidaten zu präsentieren. Ich selbst und auch viele Beobachter waren deshalb lange davon ausgegangen, daß diese Wahlen gar nicht stattfinden würden – aber sie wurden doch durchgezogen. Es waren absolut manipulierte Wahlen. Die Oppositionsparteien hatten zum Boykott aufgerufen, so daß ich die Angaben der Opposition, es habe nur eine zehnprozentige Wahlbeteiligung gegeben, für glaubwürdig halte. Die Regierung selbst spricht von 62 Prozent Wahlbeteiligung.
Die BEK hatte sich dafür eingesetzt, aufgrund der politischen Spannungen vor den Wahlen in Togo Flüchtlinge vorerst nicht dorthin abzuschieben. Innensenator Borttscheller (CDU) hatte dies abgelehnt. War Ihre Forderung im Rückblick richtig?
Sicherlich – und dabei hatte ja niemand erwartet, wie stark die Wahlen tatsächlich manipuliert würden. Die Spannung in der Bevölkerung ist seither gewachsen, niemand weiß, wie es weitergehen soll. Es zeichnet sich ab, daß die Opposition sich radikalisiert – wobei sie der Gewalt derzeit noch eine Absage erteilt. Ich frage mich allerdings, wie das gehen soll.
Wie ist die Lage der Opposition?
Wir haben uns mit Vertretern der Partei UFC von Gilleschrist Olympio getroffen, dem internationale Beobachter ja für den tatsächlichen Gewinner der manipulierten Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Juni halten. Unser Besuch in einem Parteilokal in Lomé verlief bedrückend. Das Haus war völlig verbrannt. Ich habe natürlich gefragt, warum das Gebäude nicht renoviert wurde – woraufhin ich erfuhr, daß das Haus allein im letzten halben Jahr zweimal niedergebrannt und renoviert worden war. Einmal waren sogar Panzer vorgefahren. Nach dem dritten Mal, so wurde mir gesagt, hat man aufgegeben. Also haben wir auf verbrannten Stühlen gesessen.
Wie wird dort die Rückkehr abgelehnter Asylbewerber eingeschätzt?
Der ortsansässige Vorsitzende wußte natürlich, daß nicht alle Flüchtlinge ein wirklich politisches Motiv haben. Aber man warnt alle diejenigen, die politisch aktiv waren, oder die Augenzeugen von Menschenrechtsverletzungen wurden, zurückzukehren. Wir haben im übrigen auch erfahren, daß Flüchtlinge derzeit einreisen können, ohne an der Grenze inhaftiert zu werden. Aber alle sagten mir, daß niemand weiß, was drei Tage später geschieht. Unser muslimischer Partner in Sokode hat mir berichtet, daß er von einem Flugzeug mit 30 abgeschobenen Togoern aus Deutschland wußte, daß aber kaum einer der Abgeschobenen in Sokode angekommen ist. Das ist das große Problem: Leute verschwinden, von denen man nicht weiß, ob sie umgebracht wurden oder in ein Nachbarland geflüchtet sind. In einem amerikanischen Bericht vom 26. Februar heißt es – gut begründet –, ein Arzt sei in seinem Wagen verbrannt worden, weil er im Begriff war, Massengräber aufzuspüren. Aber das kann man alles nicht beweisen – weil Tote nicht mehr reden können. Und weil Angehörige aus Angst schweigen.
Sie haben die Familie eines Togoers besucht, dem in Bremen das Asyl verwehrt wurde. Was erlebt diese Familie?
Der gesamte Familienrat dieser angesehenen Königsfamilie hat uns gebeten zu verhindern, daß ihr Angehöriger nach Togo zurückehren muß. Die Familie lebt in dem Gebiet, aus dem der erste ermordete Präsident, Olympio, stammt. Sie ist sicher, daß ihr Angehöriger eine Rückkehr nach Togo nicht überleben würde. Bei dem Besuch hat die Familie uns auch Details, die der Mann in seinem Asylverfahren angegeben hatte, der Richter aber anzweifelte, bestätigt. Unser Schützling hatte Militärs fotografiert, als diese die Häuser von Zivilisten gestürmt und die Bewohner blutig geschlagen haben. Wir haben auch erfahren, daß erst kürzlich ein weiterer Familienangehöriger von der Polizei abgeholt wurde. Seitdem hat niemand von ihm gehört. Wer verfolgt wird, ist dort schutzlos.
Haben Sie Übergriffe auf Zivilisten beobachtet?
Wir haben den Norden bereist, wo der Präsident zu Hause ist. Dort zogen junge Leute mit Knüppeln durch die Gegend, eindeutig die Jugend der Staatspartei. Was sie mit den Knüppeln machen, kann man sich vorstellen. Aber im übrigen kann man als Europäer durch das Land reisen, ohne die Spannungen allzu deutlich zu spüren. Nach wie vor gibt es zwar Kontrollstationen des Militärs an Straßen, aber dort werden nur Wagen Einheimischer angehalten. Was mit ihnen geschieht, wissen wir natürlich nicht. Insgesamt muß man sagen: Die Lage hat sich kein bißchen verbessert. Der Terror gegen die Bevölkerung ist nur noch mehr in den Untergrund gegangen. Viele Menschen berichten von Verschwundenen – und wie zu den schlimmsten Zeiten der Diktatur erzählen sie, daß wieder Leichen aus Flugzeugen ins Meer geworfen werden.
*Name geändert
Fragen: Eva Rhode
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen