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Waschtag ■ Von Joachim Schulz
„Mach was!“ zischt die Liebste, und wenn ich jetzt erwidern würde: „Was höre ich da? Den Hilferuf der emanzipierten Frau?“, dann brächte mir das nur eine genauere Bekanntschaft mit den Gemeinheiten ein, die sie in ihrem „Selbstverteidigung für Frauen“-Kurs gelernt hat. Fest steht, daß Clementine, unsere Waschmaschine, nur noch ein müdes Brummen von sich gibt. Jetzt wäre es von Vorteil, wenn ich beizeiten ein Grundstudium im Fachbereich „Der kleine Heimwerker“ absolviert hätte. Doch leider verstehe ich von der Waschmaschinenchirurgie genausoviel wie von Fußreflexzonenmassage – nämlich nichts. Zudem ist es Samstag nachmittag, so daß sich in der ganzen Stadt kein professioneller Waschmaschinendoktor auftreiben lassen wird. Und weil wir den Waschtag mal wieder bis zum ultimativen Ende des Unterhosenvorrats hinausgezögert haben, bleibt uns nichts anderes übrig, als in den nächsten Waschsalon zu pilgern.
Genauer gesagt: Mir bleibt nichts anderes übrig, da die Liebste durchaus der Auffassung ist, daß ich allein verantwortlich bin für den Clementinen-Kollaps. Mein einziges Glück besteht darin, daß die nächste Kleiderwaschanstalt nur zwei Querstraßen weit entfernt ist. Kaum dort angelangt, bekomme ich zu spüren, daß heute der Große Tag der Waschmaschinen-Perfidie ist, denn der Waschsalonautomat schluckt mein Fünfmarkstück zwar anstandslos – brummt aber anschließend genauso untätig vor sich hin wie vorher Clementine. „Vergessen Sie's“, rät mir ein Herr, als ich dem Apparat die Arbeit mit ein paar Faustschlägen aufs Gehäuse schmackhaft zu machen versuche: „Das Ding funktioniert schon seit Wochen nicht mehr. Ich bin gleich fertig. Nehmen Sie meine.“
Natürlich spüre ich den Antrieb, ihn energisch am Kragen zu pakken und ihn zu fragen, warum er mir diese wertvolle Information nicht vorher gegeben habe. Andererseits haben mittlerweile zwei weitere Waschkandidaten den Raum betreten, deshalb ziehe ich es vor, mich artig zu bedanken und zähneknirschend ein neues Fünfmarkstück hervorzukramen.
So kann ich denn endlich daran gehen, meine Schmutzwäschestapel niederzukämpfen. Mit einem bislang unbekannten Behagen betrachte ich das Rotieren der Trommel, und während draußen ein wundervoller Samstag vergeht, blättere ich in Zeitschriften, die andere Waschsalonbesucher vergessen haben müssen und mir wertvolle Einblicke in die Geheimnisse der Zierfischzucht und das Alltagsleben alternder Schlagersänger vermitteln.
Als ich wieder zu Hause eintreffe, ist meine Ruhe schlagartig perdu. Keifend stehen die Nachbarn aus der ersten Etage in unserer Diele, während die Liebste mit Gummistiefeln durch das Badezimmer planscht, und wenn ich das Geschrei richtig sortiere, dann hat die altersverwirrte Clementine ohne menschliches Zutun noch einen Waschgang gestartet, als die Liebste beim Einkaufen war. Das heißt: Ein richtiger Waschgang war's nicht. Statt dessen hat die Maschine sich damit begnügt, Wasser ins Bad zu pumpen, welches ohne Umschweife zu den Nachbarn durchgelaufen ist, und ich bin schon jetzt gespannt, wie die Liebste es wieder hinkriegen wird, mir später die Alleinschuld an diesem Desaster anzuhängen.
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