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Es geht auch billiger

■ Wie der Minisender Radio Bremen eine Minizukunft ohne ARD-Geld überleben könnte

Dieser Beschluß wäre das Ende. Wenn die Länderministerpräsidenten im Herbst wie geplant beschließen, den ARD-internen Finanzausgleich einzudampfen, dann stehe der Minisender Radio Bremen (RB), der zum Großteil von dem ARD-Geld lebt, vor dem Aus. So war es bislang sowohl aus dem Sender wie aus der Senatskanzlei zu hören, die sogar mit einer Verfassungsklage drohte. Doch nun gibt es ganz andere Berechnungen aus dem Sender: Radio Bremen ist auch mit einem um bis zu 55 Millionen Mark gekürzten Finanzausgleich als eigenständige ARD-Anstalt zu erhalten. Zu diesem Schluß kommt eine hochkarätig besetzte, senderinterne Arbeitsgruppe namens „Team Pro RB“. Wie erst jetzt bekannt wurde, hat die Gruppe – angeblich ohne höheren Auftrag – bereits im Herbst letzten Jahres die Rechenschieber flitzen lassen, um Radio Bremen auf den Tag X vorzubereiten. Dieser „Tag X“ – im Sprachgebrauch der Kommission auch „Stunde Null“ – wäre die Entscheidung der Länder im Herbst.

Radio Bremen erhält mit rund 80 Millionen Mark fast die Hälfte seines 180-Millionen-Etats aus dem Finanzausgleich. Nach den bisherigen Vorschlägen aus der ARD muß sich der Sender auf eine Kürzung von mindestens 30 Millionen Mark gefaßt machen. Die Existenzfrage stellt sich zudem auch noch nach der plötzlichen Absage des bereits gewählten Intendanten Michael Schmid-Ospachs. Und der soeben für eine Übergangszeit unbekannter Dauer wieder zum RB- Intendanten gewählte Karl-Heinz Klostermeier hatte immer für eine Strategie des Aussitzens propagiert und der Landesregierung die Verantwortung zugeschoben.

Nun hat das „Team Pro RB“ errechnet, wie der Sender auch mit einer um 30 bis 55 Millionen Mark gekürzten Finanzspritze weiter bestehen kann. Dafür will die Gruppe, zu der auch Fernsehchef Christian Berg gehörte, zwei der vier RB-Hörfunkprogramme weitgehend dem NDR überlassen und die Studios sowie Personal als Zulieferer für das „Funkhaus Europa“-Projekt des WDR anbieten. Das Spar- bzw. Erlöspotential liegt dem Bericht zufolge zwischen sieben und 25 Millionen Mark. Auf das Stimmrecht in vielen ARD- Gremien will die Gruppe zudem verzichten, wenn Radio Bremen im Gegenzug die knapp 20 Millionen Mark für ARD-Gemeinschaftsaufgaben wie die „Tagesschau“ nicht mehr zahlen muß.

Im einzelnen schlägt das „Team Pro RB“ vor, das erfolgreiche Schlager- und Regionalprogramm NDR 1/Radio Niedersachsen auch in Bremen auszustrahlen und mit lokalen Fenstern zu ergänzen. Die Pläne für ein gemeinsames „Nord- West-Radio“ mit dem NDR will die Gruppe in den Papierkorb werfen und statt dessen das mit rund 38 Millionen Mark teuerste Bremer Hörfunkprogramm „Radio Bremen 2“ zur „Kulturwelle Nord“ umbauen, wenn der NDR die Hälfte der Betriebskosten übernimmt.

„Für eine Leistung von ca. 20 Millionen Mark pro Jahr ,entgeht‘ der NDR einer Fusion mit Radio Bremen“, formuliert das Konzept eindeutig. Den Bremer Programmanteil im ARD-Fernsehen und im dritten Programm N 3 will die Gruppe dagegen nicht reduzieren, weil jeglicher Rückzug aus den Genres Journalismus, Spiel und Unterhaltung „Radio Bremen eher entbehrlich machte“.

Im Sender gilt dieses Papier offenbar als so brisant, daß es ein Radio-Bremen-Redakteur am eigenen Leib zu spüren bekam. Dem Moderator, der zugleich stellvertretender Bremer Landesvorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) ist, soll gekündigt werden, weil er das Konzept in einer Mitgliederzeitschrift der Gewerkschaft kritisiert hat. Der RB-Personalrat hat sich unterdessen hinter den Redakteur gestellt. Christoph Köster

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