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Betr.: Hammoniale

Verraucht ist der Ärger über den ungalanten Rausschmiß. Tapfer und positiv gestimmt gaben sich die Initiatorinnen der Hammoniale gestern, als sie auf einer Pressekonferenz das diesjährige Programm bekanntgaben. Kein böses Wort wurde laut darüber, daß diese Ausgabe des Festivals der Frauen – vom 16. Juni bis 3. Juli – die vorerst letzte in Hamburg sein wird. Zur Erinnerung: Die von der Kulturbehörde eingesetzte Strukturkommission hatte im Dezember überraschend beiden auf Kampnagel ansässigen Festivals gekündigt.

Nun soll diese Hammoniale ein „krönender Abschluß“ werden, ein „Jahrhundertrückblick“ auf die Kunst von Frauen, mit 300 Künstlerinnen und Künstlern aus 25 Ländern, so versprach Irmgard Schleier auf der Pressekonferenz. Die Liste der geladenen Gäste liest sich denn auch wie ein „Who is Who“ des Frauenfestivals: Es gibt ein Wiedersehen mit Eva-Maria Hagen und Giovanna Marini, mit Donata Höffner und Audrey Motaung, die sich vor 13 Jahren noch als Verkäuferin bei Karstadt die Beine in den Bauch stand, bis sie auf der Hammoniale den Durchbruch schaffte.

Im musikalischen Bereich gibt es wieder viel Ethno-Klänge zu hören. Bei einem einzigartigen tuwinisch-bulgarisch-russischen Projekt treffen zentralasiatische Obertonsänger auf minimalistische Jazzer aus Moskau und einen bulgarischen Frauenchor. Musik der Tuareg erklingt vom Ensemble Tartit, Lieder Rumäniens und seiner Roma spielt das Balanescu Quartett mit Sanda Weigl als Solistin. Tania Léon aus Kuba bringt eine Auftragskomposition zur Uraufführung. Das NDR-Sinfonieorchester wird „Komponistinnen des Jahrhunderts und ihre Wegbereiter“ zu Gehör bringen, und in der Hochschule für Musik und Theater dürfen sich sechs Hamburger Komponistinnen vorstellen.

Beim Tanz liegt der Schwerpunkt auf dem asiatischen Kontinent. Ea Sola aus Vietnam stellt den letzten Teil ihrer Trilogie vor: Nach den alten und den jungen Frauen, die sich ihren Kriegserinnerungen stellten, erzählt die Künstlerin nun mit sieben Tänzerinnen und Sängerinnen und neun Musikern in einer alten ländlichen Opernform aus Nordvietnam eine Geschichte aus dem heutigen Alltag. Chandraleka, die indische Erneuerin des Tanzes, zuletzt auf der Hammoniale 95, setzt in Sloka ihre Suche nach Weiblichkeit fort. Sen Hea Ha aus Korea, Darstellerin für Peter Brook und Gast bei Pina Bausch, erschafft mit Epiphany spirituelle Bilderwelten zu traditioneller koreanischer Musik und einer Komposition von György Ligeti.

Ein kleiner Zweig ist wie immer der Literatur gewidmet. Die New Yorker Dichterin Sapphire, in Hamburg schon bestens eingeführt, liest in einer Poetry-Slam-Performance aus ihrem jüngsten Roman Push, und eine Literaturnacht in vier Akten ist Simone de Beauvoir gewidmet – unter anderem werden noch unveröffentlichte Briefe zu Gehör gebracht.

Mit einer groß angelegten Schlager-Revue, einem Streifzug durch „hundert deutsche Jahre“ politisches Lied, Schlager und Chanson, bei der große Namen versammelt sind – von Eva-Maria Hagen über Mario Adorf bis Hannelore Hoger – wird das Festival sich vom Hamburger Publikum am 3. Juli verabschieden.

Und wo bleibt der Protest auf der Bühne, den Irmgard Schleier noch vor zwei Monaten so lautstark angekündigt hatte? Schließlich ist die verbale Zusicherung der Kulturbehörde, man werde „auch Fraueninhalte künftig im Programm der Kampnagelfabrik festschreiben“, blanker Hohn gegenüber einem Programm wie dem der Hammoniale, wo Frauen nicht nur Interpretinnen, sondern vor allem Produzentinnen ihrer Werke sind. Irmgard Schleier will aber zuversichtlich bleiben: „Auf jeden Fall wollen wir keinen Blick zurück im Zorn, sondern diese Energie positiv in die Zukunft lenken“.

Das soll so aussehen, daß erfolgreiche Künstlerinnen Patenschaften übernehmen für jeweils eine junge Künstlerin aus ihrem Land. Diese sollen Förderung erhalten und ihre Arbeit im Jahr 2001 in Deutschland vorstellen – an welchem Ort, ist derzeit allerdings noch nicht geklärt. „Wir wollen, daß diese Inhalte nicht einfach verloren gehen“, erklärte Schleier, „sondern eine Künstlerin der nächsten ihre Erfahrungen weitergibt“. So begibt sich das Festival wieder an seine Anfänge zurück, in die Zeit, bevor es auf dem Kampnagelgelände zentralisiert wurde: in die außerparlamentarische Arbeit.

Der Kartenvorverkauf beginnt heute. Infos und Tickets unter Tel.: 27 09 49 49

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