No Guru, no method, no goals

Hanseatischer Null-Hattrick: Werder spielt zu Hause mal wieder zu Null und läßt jeglichen Zauber vermissen / Liegt es etwa an der Stadionakustik? Oder an der „Inspirition“  ■ Von Ian Watson

Wie der Coventry City Trainer John Sillett einst tiefsinnig sagte: „Es gibt Null-zu-Nulls, und es gibt Null-zu-Nulls. Und das hier war ein Null-zu-Null.“ Zum dritten Mal hintereinander: der hanseatische Hattrick Werder-HSV. Alles in allem war das Spiel besser als das Ergebnis, das – über 90 Minuten gesehen – nicht nur die Kräfteverhältnisse am Abend und die sehr guten Leistungen beider Torhüter, aber auch den gegenwärtigen Zustand beider Mannschaften ausdrückte.

Das Schlüsselwort, das wiederum durch die Berichterstattungen gehen wird, ist „Kompakt“ – überhaupt das Buzz-Word der Saison. Es hat mit Konsequenz, Konzentration und Stellungsspiel in der Defensive zu tun. Und das zeigten beide Mannschaften, vor allem auf Bremer Seite Sven Benken, der sich langsam zum Stammleistungsträger mausert. Er hatte gegen Yeboah zu tun, der nach all den Jahren immer noch eine Augenweide ist: so schwer vom Ball zu trennen, überraschend schnell und immer beweglich, nicht nur körperlich, sondern auch geistig quirlig – eine wunderschöne Fusion von Ästhetik und Spielwitz. Um so größer dann das Lob an den Bremer Manndecker, der den Ghanaer zur Verzweiflung brachte und trotzdem in der Lage war „für den Spielaufbau etwas zu leisten“, um gleich mit dem anderen großen Klischee der örtlichen Presse zu hausieren.

Quirlig waren auf der anderen Seite Bogdanovic, der rotierte und Schönes mit dem Ball machte, aber sich im entscheidenden Abschlußmoment nicht durchsetzte, und Frings, der für viel Unruhe sorgte – aber gelegentlich leider auch für die Zuschauer, weil er (wie auch Wojtala) ständig stolperte und ausrutschte. Sein Torschuß in der 53. Minute war ein Höhepunkt, so wie der torgefährliche Freistoß von Trares, der sonst durch viel Kraft und Einsatz und trotz eines blöden Fouls an Doll gefallen konnte. Wicky gewinnt wieder Zweikämpfe und kurbelt das Spiel an – nicht mit der pomadigen Leistung gegen Rostock zu vergleichen.

Öfter unelegant hingefallen ist auch der junge Dabrowski, schon wieder ein vielversprechendes Talent, das sorgfältig an die Bundesliga herangeführt werden sollte. In der zweiten Halbzeit hatte er zwar einen richtigen Durchhänger, so daß manche seine Auswechslung erwartet haben, aber er hat sich gut berappelt. Wir werden unseren Spaß an ihm haben; er hat Ideen und könnte mit Herzog und Eilts zusammen zu einem interessanten Dreieck werden. Ich würde den Jungen gern mehr loben, aber nachdem ich letztes Jahr in dieser Kolumne eine Lanze für Christian Brandt gebrochen habe, der nun angeblich nicht ins Konzept paßt und verkauft werden soll, wage ich nicht, einen richtigen Lobgesang auf Dabrowski anzustimmen. Er kann ein ganz großer werden, aber er muß konditionell und psychisch behütet werden, sowohl vom Trainer, der ihn nicht unbedingt 90 Minuten in der schnellen Bundesliga quälen muß (auch wenn es dieses Mal gut ging); aber vor allem vom zu kritischen Bremer Publikum, vor dem es sicher wenig Spaß macht, Fußball zu spielen. Auch wenn man viel Eintrittsgeld ausgibt, für das man hart malochen mußte, muß man mehr Geduld mit seiner Mannschaft haben. An der Weser gilt die allgemeine Regel: Wer am meisten verdient, darf am meisten meckern.

Kompakt stand auch die Gruppe der mitgereisten HSV-Fans, die Schulter an Schulter und rosaraketenbeleuchtet ihre Mannschaft vorbildlich unterstützten. Von der Pressetribüne an der Mittellinie aus gehört, haben sie weitgehend mehr Dezibel produziert als die östlich-örtlichen. Dies kann aber nicht nur eine Frage der Bremer Bescheidenheit in der Kurve sein, wo die Jungs, die am wenigsten verdienen, sich immer redlich bemühen, sondern eher die Folge einer unglücklichen Stadionakustik, die es den Gastfans erlaubt, ihre Präsenz der Spielatmosphäre aufzudrücken. (Übrigens können die Gäste das Spiel weitgehend besser sehen und verfolgen als die Einheimischen, die flach und zweidimensional hinter dem Tartan-Halbkreis stehen.)

Gefragt nach Mängeln bei Werder, wirft der Stammtisch öfter den Begriff „Inspiration“ auf. Ideen fehlen wirklich; die meisten munteren Aktiönchen sind zu durchsichtig (wenn auch nicht immer so ausgeprägt wie mit dem als Manndecker sonst so guten Wiedener in der unglücklichen Rolle des Flügelflitzers). Trotz der großen Dynamik, die von Eilts und Trares ausgeht, haben wir niemanden neben Herzog (außer Brandt und dem verletzten Roembiak), der einen Funken Geistesblitz auslösen könnte. Aus dem englischen Kontext kommend, verbinde ich das Wort magic mit Keegan, Beckham oder Shearer. Magath als Magier zu bezeichnen, ist fahrlässig inflationär. In Sachen Ausstrahlung hat der Bremer Coach wahrlich mehr mit Claudia Schiffer als mit David Copperfield zu tun. Man kann nur hoffen, daß seine Mannschaftssitzungen und Halbzeitpredigten inspirierender sind als die Pressekonferenz. Es fehlte nur der klassische Satz: „Ich bin mit dem Null-Null zufrieden – es hätte auch umgekehrt ausgehen können.“

Der irische Schriftsteller Ian Watson ist Dozent für englische Sprache und Literatur an der Universität Bremen.