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Mit HipHop gegen Drogen

■ Graffitti, Breakdance und Rap gegen Langeweile und Destruktion Von Patricia Faller

„In der Anonymität der Großstadt ist kein Platz mehr für die Menschen.“ Deshalb erobert sich der 23jährige Gerrit aus Braunschweig nit seinen Graffitti ein Stück Raum zurück: „Ich male da, wo es mir Spaß macht.“ Statt Frust mit Drogen zu betäuben, entwickelt er lieber kreative Gedanken und sprüht sie an Wände.

Das ist auch der Ansatzpunkt der Kampagne „Wir handeln bevor Sucht entsteht“ der Beratungsstelle „Drogen- und Suchtprävention“, des Instituts für Lehrerfortbildung (IfL) und des Büros für Suchtprävention der Hamburgischen Landesstelle gegen Suchtgefahren: HipHop als Mittel in der Drogenprävention. Für Jörgen Linneberg vom IfL bietet sich diese Jugendkultur, die vor etwa zehn Jahren aus den USA nach Deutschland rüberschwabbte, dafür geradezu an. Denn die „old school“ des HipHop hat drei Regeln: kein Drogenmißbrauch, keine Gewalt, kein Rassismus.

Die Tatsache, daß in dieser aktiven und kreativen Jugendbewegung Könner und Künstler ein hohes Ansehen haben, machen sich die Organisatoren zunutze. Sie schicken sogenannte „HipHop-Lehrer“ – Künstler aus der Szene – an Schulen, in Jugendclubs und Kulturzentren. In Graffiti-, Breakdance- und Rap-Workshops sollen Jugendliche ihre Freizeit aktiv gestalten lernen. Das pädagogische Ziel: Die Energien Jugendlicher sollen umgelenkt werden, weg von Destruktion und Selbstzerstörung durch Drogenkonsum etwa, hin zu einer „identitätsstiftenden und persönlichkeitsbildenden Kreativität“. „Durch 'Youth-to-Youth-education' kann man in puncto Suchtprävention viel mehr erreichen als durch noch so vorbildhafte Erwachsene“, erklärt Jörgen Linneberg.

Mehr als 80 Workshops haben seit dem Start der Kampagne im vergangenen Jahr stattgefunden. Das IfL aktivierte die Hamburger Schulen nach dem Motto „Hip-Hop-Hap-piness“. In 20 Schulen wurde gerapt, gesprüht und Breakdance geübt. In diesem Jahr sind es zehn, die das Projekt weiterführen wollen. „Selbst die konservativsten Schulen haben den pädagogischen Wert der HipHop-Bewegung erkannt“, so Linneberg. Häufig stellen Schulleiter Wände zur Verfügung oder lassen Großraumstaffeleien aufhängen, wo die jungen Künstler ihre Kreativität ausleben können. Dennoch werden weitere legale Sprühflächen benötigt.

Derzeit findet im IfL (Felix-Dahn-Straße, Nähe Schlump) eine Graffitti-Ausstellung mit Werken von namhaften KünstlerInnen aus Hamburg, Berlin, München, Bremen, Essen und der Schweiz statt. Sie ist noch bis zum 21. September zu sehen.

Für 1996 ist ein großes Sprüh-Happening geplant: Das Trockendock-Gebäude in Barmbek-Süd soll in ein Graffitti-Gesamtkunstwerk verwandelt werden. Die zuständige Abteilung des Bezirksamtes Nord hat bereits grünes Licht dafür gegeben, berichtet Linneberg. Gesucht werden noch „kühne Entwürfe, starke Muskeln, Material, Know-How und Sponsoren.“

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