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Der Autor: gefeiert, bemuttert

■ Die ungewöhnliche Spielzeiteröffnung des Schauspielhauses

So viel zu sehen und zu hören! Zwei Tage stand am vergangenen Wochenende im Hamburger Schauspielhaus eine Figur im Mittelpunkt, die sonst unter zunehmendem Desinteresse zu leiden hat: der zeitgenössische Theaterautor. Lesungen – live, auf Video oder vom Band – in nahezu alle Räumen: eine außergewöhnliche Spielzeiteröffnung, die vom Publikum dankbar angenommen wurde.

Eine Diskussion beendete das Autorenfest am Sonntag, und das war, obwohl prominent besetzt – Hellmuth Karasek moderierte, Rainald Goetz, Frank Castorf, Ivan Nagel und andere nahmen teil –, die einzige enttäuschende Veranstaltung des Wochenendes. Nur zwei der acht Teilnehmer gedachten, aus der Gelegenheit etwas zu machen, allerdings bremsten sie sich in ihrem Eifer gegenseitig aus.

Gundi Ellert, Hamburger Ensemblemitglied und Theaterautorin, hatte wohl noch Böll im Sinn und seinen Slogan vom „Ende der Bescheidenheit“. Sie sagte, Autoren würden „beschissen“ behandelt, am schlechtesten von allen Theaterarbeitern bezahlt, und das müsse sich ändern, ohne die Texte ständig mit der „Qualitätsfrage“ zu bedrohen. Da grätschte schon Rainald Goetz dazwischen: „Alles falsch!“ Er hielt es mit dem Motto, das schon den Rückendeckel seines Romans Irre zierte: „Don't cry, work!“ Wenn ein neues Theaterstück so wenig Zuschauer anlocke, daß der Autor nicht davon leben könne, müsse dieser eben „acht weitere, bessere“ Stücke schreiben. Basta. Es gelang Karasek nicht, die beiden Punkte in ein Gespräch einzubinden. Der Rest der Diskussion: Er ging dahin.

Vorschlag: Das nächste Mal machen wir zwei Gespräche. Dann können wir Rainald Goetz ordentlich auf die Schulter klopfen, um danach mit Gundi Ellert ernsthaft über die Probleme von Autoren zu reden. Diesmal ging es daneben.

Und Frank Castorf? Frank Castorf ist inzwischen zu einem brillanten Zynismusdarsteller gereift, der vor allem in den reichen Wessi-Städten Hamburg und München gerne den armen, aber noch realitätsverbundenen Ostberliner gibt (Tonfall inbegriffen). Aber gegen Castorf wollen wir nichts sagen.

Natürlich hatte die Veranstaltung auch gute Seiten. Für jeden Anwesenden mit literarischen Ambitionen sollte klargeworden sein, worauf er sich einläßt. Er bekommt kein Geld, darf nicht darüber jammern, wird von vielen Theatermachern links liegen gelassen und von Veranstaltungen wie dieser unverbindlich bemuttert. Viel Spaß!

Dirk Knipphals

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