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Das Warten auf eine Entschuldigung

■ Dialle D. ein Jahr nach Beginn des Polizeiskandals / Ein Porträt von Silke Mertins

Er hat immer noch Wut im Bauch. Und zwar „Wut ohne Ende“. Zum Beispiel als er Ende Juli die Zeitung aufschlug und sich erst einmal ungläubig die Augen reiben mußte: Marion Zippel, die Staatsanwältin, die gegen prügelnde Hamburger Polizisten kein einziges Verfahren einleitete, wurde von Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) mit einer Beförderung zur Abteilungsleiterin belohnt. „Daran sieht man mal wieder, daß es nichts nützt, wenn nur Köpfe ausgetauscht werden“, sagt Dialle D.

Anfang vorigen Jahres war der damals 44jährige Senegalese Opfer von Polizeigewalt geworden. Weil er eine Kappe mit der Aufschrift „Gebt Nazis keine Chance“ trug, schlugen zwei Polizisten in Zivil ihn auf der Straße zusammen und nahmen ihm den Paß ab. Als er Anzeige erstattete, schlossen sich die Behörden kurz und wollten ihn einfach ausweisen. Erst als sein „Fall“ am 8. September vorigen Jahres in der taz hamburg erschien, erwuchs daraus der Hamburger Polizeiskandal; Innensenator Hackmann trat zurück.

Auf ein Wort des Bedauerns, einen persönlichen Brief von denen, die die Polizeigewalt politisch zu verantworten haben, wartet Dialle bis heute. „Als die Sache eskalierte, hatte ich gehofft, daß sich der Chef der Innenbehörde im Namen seiner Untergebenen bei mir entschuldigen würde.“ Nur einer der beiden Polizisten, den er wiedersah, als er bei dem schließlich doch noch eingeleiteten Disziplinarverfahren aussagen mußte, brachte ein „tut mir leid“ über die Lippen.

Immerhin, einen kleinen Sieg hat Dialle D. errungen: Ihn abzuschieben, weil er in unbequemer Weise seine Menschenrechte in Anspruch nehmen wollte, ist nicht gelungen. Seinen Paß hat er wieder, unter nicht enden wollenden Schikanen eine Aufenthaltserlaubnis erstritten – „elfeinhalb Stunden habe ich dafür in der Ausländerbehörde verbracht“ –, seine Freundin geheiratet und einen neuen Job bekommen.

Heute lehnt sich der zivilcouragierte Senegalese in seiner kleinen Wohnung in Eimsbüttel gelassen auf seinem Stuhl zurück. Nein, obwohl er über Hamburgs Grenzen hinaus bekannt wurde und für zig Kamera-Teams in seiner Straße auf und ab lief, fühlt er sich nicht als Held: „Ich habe nur für meine Rechte gekämpft.“

Würde ihm heute das gleiche passieren, „würde ich erst einmal zu meinem Anwalt gehen“. Seinen Paß, nein, den würde er nie wieder in die Hände der Polizei geben. Große Hoffnung, daß der Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Polizei etwas bringt, hat der 45jährige nicht mehr. „Die Untersuchung ist so raffiniert, daß nichts dabei herauskommt. Es gibt eine lange Hamburger Tradition, solche Geschehnisse zu vertuschen.“

Das eigentliche Problem liegt für Dialle D. woanders. Bei den Kindern müsse man ansetzen, daß sie den Rassismus der Eltern nicht übernehmen. Und vor allem: „Solange die Politik nicht einsieht, daß aus einem Auswanderungs- ein Einwanderungsland geworden ist, wird sich nicht viel ändern.“

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