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Italiens Wahlrechtsreform ist gescheitert

Gegen alle Erwartung: Zwar stimmten beim Referendum 91 Prozent für ein neues Mehrheitswahlrecht, es fehlte aber an 0,4 Prozent Beteiligung. Vor allem die Kleinparteien freuen sich  ■   Aus Rom Georg Gindely

Die Bombe platzte um 0.25 Uhr. Während die Promotoren des Referendums zur Abschaffung des Verhältniswahlrechts aufgrund einer Prognose von 91,7 Prozent Ja-Stimmen die Sektkorken knallen ließen, kam völlig unvermittelt aus dem Radio die Nachricht: Nur 49,6 der Wahlberechtigten waren zu den Urnen gegangen. Für die Gültigkeit wären aber 50 Prozent notwendig gewesen.

So bleibt es zunächst dabei, daß auch künftig 25 Prozent der Sitze nach dem Verhältniswahlrecht (über Listen) vergeben werden, zusätzlich zu den drei Vierteln über Mehrheitswahl.

Voreilig hatte Romano Prodi, Ende 1998 gestürzter Ministerpräsident und designierter Chef der Europäischen Kommission, bereits von einem Triumph eines neuen Italiens gesprochen, von der Perspektive endlich stabiler Regierungen, weil mit reinem Mehrheitswahlrecht die kleinen Parteien verschwinden würden.

Eingestimmt in die Jubelgesänge hatten auch weitere Initiatoren der Befragung wie der ehemalige Staatsanwalt Antonio di Pietro, der auf weniger Korruption hofft, und der Chef der rechten Nationalen Allianz, Gianfranco Fini, der sich einen autoritäreren Staat wünscht.

Seit der Nachricht über den 0,4-Prozent-Beteiligungsmangel lekken sich alle großen Parteien die Wunden. Sie wie auch die italienische Presse, die mehrheitlich für das Referendum war, suchen aus dem Ergebnis noch herauszusaugen, was zu retten ist.

Vom „Verpassen einer grossen Chance“ spricht la Repubblica, wertet aber, wie auch der Corriere della sera, „die hohe Zahl der Ja-Stimmen“ unverdrossen als Zeichen dafür, daß die Bürger ein neues Wahlgesetz wollen.

Ein Konsens, wie das nun aussehen soll, ist allerdings nirgendwo auszumachen. Dagegen setzen die kleineren Parteien nun die Überzeugung, daß die Entscheidung auch ein Votum für den Wunsch der Italiener nach einer größeren politischen Vielfalt ist: Die gefürchtete „Amerikanisierung“ findet nicht statt und wird anscheinend nicht gewünscht, das Überleben der Neokommunisten, der Grünen, der Ligen und manch anderer kleiner Gruppierungen scheint gerettet.

„Der kleine Mann fühlt sich weiterhin vertreten und wendet sich nicht ab von der Politik – unsere Demokratie bleibt lebendig“, atmet Alberto Benzoni, Sozialdemokrat und einer der Hauptgegner des Referendums, auf.

„Die führende italienische Klasse wurde besiegt“, meinte auch Altkommunist Fausto Bertinotti.

Daß sich die Enthaltung als entscheidender Faktor für das Referendum erweisen könnte, hatte sich erst in den allerletzten Tagen herausgestellt, als die Befürworter immer dringender zum Wahlgang aufriefen – und obwohl ganz offen nur Umberto Bossi, Chef der lediglich in Oberitalien aktiven Liga Nord, zur Abstinenz aufgerufen hatte, alle anderen hatten sich eher für ein „Nein“ auf den Stimmzetteln ausgesprochen. Doch gefolgt sind Bossi dabei weniger seine engeren Landsleute im Norden, sondern die große Menge der Wähler im Süden: Dort gingen nicht einmal 40 Prozent der WählerInnen zu den Urnen. Und das hat am Ende den Ausschlag für den Mißerfolg gegeben. Die Kontroverse über das Wahlrecht soll nun im Parlament ausgetragen werden. Beobachter fürchten, daß nach dem Scheitern des Referendums Reformen in weitere Ferne gerückt sind. In Italien wetteifern 44 Parteien um die Gunst der Wähler.

Jubel bei den Reformgegnern: „Der kleine Mann fühlt sich noch vertreten, er wendet sich von der Politik nicht ab.“

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