: Gegen den Pilz ist kein Kraut gewachsen
■ Mit Kupferpräparaten versuchen Ökobauern gegen die Kraut- und Knollenfäule anzugehen. Demnächst darf das ökologisch nicht ganz unbedenkliche Mittel nicht mehr verwendet werden
Der Pilz war schon Ursache von Katastrophen. Über eine Million Iren mußten verhungern, weil ein kleiner Pilz zwischen 1845 und 1849 fünf Kartoffelernten hintereinander vernichtet hat. Die Rede ist von Phytophthora infestans. Der Erreger der Kraut- und Knollenfäule bei Kartoffeln kann innerhalb von zehn Tagen das gesamte Blattwerk einer Kartoffelpflanze zerstören.
Es ist die historisch älteste Krankheit, die auch hierzulande der Deutschen liebste Knolle befällt. Angesichts der verheerenden Wirkung greifen selbst Biobauern zu Methoden, die ökologisch zumindest fragwürdig sind. Im ökologischen Landbau ist der Einsatz von Kupferpräparaten im Kampf gegen die Kraut- und Knollenfäule sehr verbreitet. Nur zwei der neun Verbände, Bioland und Demeter, verzichten freiwillig auf einen Einsatz bei Kartoffeln, nutzen das Präparat aber im Obst- und Weinanbau. Zunächst erkennt man nur kleine gelbliche oder dunkelgrüne Flecken auf der Oberseite der Blätter. In einem regenreichen Sommer vergrößern sich die Flecken, werden dunkelbraun bis schwarz. Bald ist die ganze Pflanze befallen. An der Unterseite der Blätter wird eine weiße, schimmelartige Schicht sichtbar. Wenige Tage danach bleiben nur noch ein brauner Stengel und ein fauliger Geruch zurück. Ertragsminderungen von 70 Prozent sind bei befallenen Feldern keine Seltenheit.
Die Kupferpräparate werden in flüssiger Form an die Blattunterseite der Pflanze gespritzt und verhindern hier, daß der Pilz Sporen bilden und sich damit – bei feuchter Witterung – fortpflanzen kann. Aber Kupfer ist auch ein Schwermetall, das sich über die Jahre im Boden anreichert und die darin lebenden Mikroorganismen schädigen kann. Überdies wird Kupfer zum Teil wieder aus dem Boden ausgewaschen und gelangt dann in Flüsse und Seen. Eine negative Wirkung auf die Wasserlebewesen kann nicht ausgeschlossen werden.
Aus diesem Grund hat die Europäische Union eine Verordnung erlassen, deren Formulierung eindeutig ist: Kupfer darf als Pflanzenschutzmittel nur noch bis März 2002 eingesetzt werden. Dieser Zeitraum sei „sehr, sehr straff“, und ein Verbot werde „in einigen Bereichen fatale Folgen“ haben – meint Axel Schauder, Verantwortlicher für die Qualitätssicherung und Zertifikation beim ökologischen Anbauverband Demeter. Er sieht vor allem die Erträge im Obst- und Weinanbau gefährdet. Ingo Braune vom Bundeslandwirtschaftsministerium, Referat Ökologischer Landbau, hält dagegen: „Eigentlich kann die EU-Verordnung niemanden wirklich überraschen.“ Ein Verbot von Kupfer in der Landwirtschaft sei schon lange Zeit im Gespräch. Vom Ministerium gibt es Vorwürfe an die ökologischen Anbauverbände: sie hätten die Suche nach alternativen Methoden zur Bekämpfung der Seuche vernachlässigt.
Einig sind sich Ministerium und Anbauverbände darin, daß der Einsatz von Kupfer grundsätzlich negativ zu bewerten ist. Doch bis heute gibt es keine wirkliche Alternative zu Kupferpräparaten. Ackerbauliche Maßnahmen, die auf eine bessere Durchlüftung und damit weniger Feuchtigkeit im Bestand abzielen, wie man es zum Beispiel mit größeren Reihenabständen erreicht, können zwar den Ausbruch der Seuche erschweren. Doch wenn der Pilz erst einmal ein Feld befallen hat, kann der Biobauer nur der Vernichtung seiner Ernte zusehen – oder zur Kupferspritze greifen. Konventionelle Landwirte nutzen zur Bekämpfung der Kraut- und Knollenseuche chemische Fungizide, die ökologisch weitaus bedenklicher sind als Kupfer. Axel Schauder: „Im Vergleich zu den anderen Bekämpfungsmethoden reduzieren wir durch den Einsatz von Kupfer sogar die negativen Wirkstoffe in der Umwelt und kriegen dann vom Landwirtschaftsministerium vorgehalten, daß wir die Forschung nicht genug fördern.“
Die Forschung um Ersatzpräparate wird weitgehend den Hochschulen überlassen. Unter anderem in Bonn, Weinsberg und Witzenhausen bei Kassel ist man auf der Suche nach einem neuen Mittel gegen Phytophthora infestans. Die heiße Spur der Forscher: Tonmineralsubstanzen, die eine Verdünnung der Membran des Pilzes bewirken und den Pilz dadurch vertrocknen lassen. Doch der entscheidende wissenschaftliche Durchbruch fehlt noch. Und so ist es fraglich, ob bis zu dem von der EU gesetzten Termin im März 2002 ein kupferfreies und dazu noch ökologisch unbedenkliches Mittel gegen die Kraut- und Knollenfäule auf den Markt gebracht werden kann. Andrea Horbelt
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