: Spaß haben und gewinnen
Mit angriffsfreudigem und spektakulärem Basketball will Zalgiris Kaunas heute gegen die Abwehrkünstler von Kinder Bologna den Europacup holen ■ Aus München Matti Lieske
Schade eigentlich, daß Arvidas Sabonis die 30 Millionen Dollar der Portland Trail Blazers einem Engagement bei Zalgiris Kaunas vorgezogen hat. Der litauische Center-Koloß, der während der Aussperrung in der NBA bei seinem Heimatklub trainierte und im Januar kurz vor seinem Europaliga-Debüt stand, wäre der richtige Mann, um heute abend beim Endspiel des Final-Four-Turniers in der Münchner Olympiahalle das Abwehrbollwerk von Kinder Bologna zu knacken.
Doch auch ohne Sabonis muß den Litauern nicht bange sein vor dem Titelverteidiger, so überzeugend haben sie am Dienstag im Halbfinale zum Entsetzen der 5.000 angereisten griechischen Fans Olympiakos Piräus mit 87:71 abgefertigt. „Wir sind hier die Besten“, hatte Olympiakos-Coach Dusan Ivkovic zuvor noch getönt, doch dann war sein Team so unterlegen, daß Kaunas in der zweiten Halbzeit seine Stars Edney, Bowie und Stombergas schon für das Finale schonen konnte. „Unser schlechtestes Spiel der Saison“, schimpfte Ivkovic, während NBA- Import Anthony Bowie meinte: „Das war unser bestes Match im ganzen Jahr.“
Letzteres scheint ein wenig übertrieben, der Saporta-Cup-Gewinner des vergangenen Jahres hat in seiner ersten Europaligasaison eine ganze Menge vorzügliche Partien geliefert. Die von Ivkovic suggerierte Schlußfolgerung, daß, wenn beide Teams einen normalen Tag erwischt hätten, seine Mannschaft als Sieger vom Platz gegangen wäre, steht jedenfalls auf schwachen Füßen. Zalgiris liegt nicht umsonst in den Kategorien erzielte Punkte, Defensivrebounds und Assists an der Spitze der Europaliga. Zudem spielt der litauische Dauerchampion gegenüber vielen italienischen und griechischen Teams einen wunderschönen Basketball: schnell, angriffsfreudig und gut gelaunt, mit raffinierten Kombinationen, Fast-Breaks und überraschenden Pässen, dabei stark in der Defensive.
Den Kern des Teams von Coach Jonas Kazlauskas bilden drei NBA-Outcasts, die Zalgiris, keineswegs einer der ärmsten Klubs der Europaliga, zu Saisonbeginn holte. „Basketball ist bei uns der Sport Nummer eins“, erklärt Dr. Vygyntas Grinis, litauischer Botschafter in Tschechien. Und Zalgiris, das einst mit Leuten wie Sabonis, Marciulonis und Kurtinaitis sogar ZSKA Moskau die Sowjetmeisterschaft raubte, ist der Vorzeigeklub. Er wird mit Regierungsgeldern unterstützt, außerdem fungieren acht große Unternehmen, darunter die größte Chemiefabrik, eine Baufirma und die Fluggesellschaft des Landes, als Sponsoren. Diese ermöglichten es, den nur 1,77 Meter großen Spielmacher Tyus Edney, Assists-König der Europaliga, von den Boston Celtics zu holen, den Tschechen George Zidek, mit dem zusammen Edney bei UCLA 1995 die College-Meisterschaft gewann und der in Seattle auf der Bank brummte, sowie den alten Haudegen Bowie, der mit Orlando Magic einmal Vizemeister der NBA war und mit Bärenruhe seine Punkte erzielt – 19 waren es gegen Piräus. Dazu kommt der 25jährige Saulius Stombergas, der in Litauens Olympiateam 1996 eine harte Lehrzeit durchmachte, als er wegen seiner ungestümen Spielweise permanent von Sabonis und Marciulonis angeschnauzt wurde. Inzwischen spielte er ein Jahr in Shanghai und ist zum europäischen All Star avanciert.
Entscheidend aber ist, daß Zalgiris eine echte Mannschaft ist und auch die jungen Bankspieler kräftig punkten. Nicht zuletzt ein Verdienst von Arvidas Sabonis, der seinem alten Klub eine Basketballschule spendete, in der 600 Jugendliche ausgebildet werden können. „Das sind junge Burschen“, sagt Bowie, „aber sie wissen, wie man Basketball spielt und Spaß dabei hat.“ Überhaupt ist der 35jährige, abgesehen von den Temperaturen, sehr zufrieden mit seiner neuen Heimat. „In meiner ganzen Karriere habe ich noch nie Menschen erlebt, die so vom Basketball begeistert sind wie die Leute in Litauen“, staunt er. „Ein wahrer Patriot“, freut sich Botschafter Grinis, und Bowie grinst. Ob er nächste Saison, wenn Kaunas in der neuen Baltic League mit den Ostseeanrainern spielt, wieder dabei ist, will er allerdings nicht sagen. „Jetzt haben wir erst mal noch ein Match“, erklärt Anthony Bowie, und als erfahrener Spieler weiß er genau, was Kinder-Trainer Ettore Messina meinte, als er nach dem mit 62:57 gewonnenen Halbfinale gegen den Lokalrivalen Teamsystem sagte: „Der längste Weg steht uns noch bevor – länger als alle bisherigen 20 Spiele zusammen.“
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