Unterm Strich

Hauptbahnhof, Gründung von politischen Landeslisten in wenigen Minuten). Wechselt er nun klar die Fronten, muß er sich auf die Spielregeln einlassen, die dort herrschen, wo er eigentlich gar nicht hinwill. Oder eben an der Peripherie wurschteln.

In diesem Zusammenhang nutzt es leider nicht viel, daß der Künstler jetzt gestern zu dpa sagte, er habe sich zwar von der Volksbühne zurückgezogen, die ihn bei seinem Versuch, Flüchtlingen zu helfen, nicht genügend unterstützt habe, keineswegs aber vom Theater. Denn welche andere Bühne könnte einem Schlingensief wohl logistische Hilfe und ideologischen Überbau für neue Aktionen bieten? Nein, was immer Christoph Schlingensief schon nächste Woche an willkommenen Ideen äußern wird – sein bisheriges Projekt ist wohl zu einem Abschluß gekommen. Bahn frei für die Wissenschaft. Petra Kohse

Und weiter mit der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz: Eine Forderung des letztjährigen Foucault-Tribunals MACHT-WAHN-SINN scheint vor ihrer Umsetzung zu stehen. Im Sommersemester 99 wird ein Lehrstuhl für Wahnsinn an der Freien Universität gleich drei Seminare unter dem Titel „Verrückte Diskurse“ anbieten.

Gleichfalls verrückt: Bigness als Gipfel urbaner Architektur. Ob das „Regime der Komplexität“, von dem der Großbaumeister Rem Koolhaas spricht, tatsächlich auch „geballte Intelligenz“ (in einem nicht nur ökonomischen Sinne) verheißt, läßt sich in der Reihe „Städte, Territorien“ erfahren, die Teil der Kurzfilmtage Oberhausen vom 22. bis 27. April ist. Bericht folgt. Zur Förderung der anspruchsvollen Musikvideoproduktion verleihen die Kurzfilmtage in diesem Jahr übrigens auch den ersten deutschen Festival-Musikvideopreis.

Der Publizist und Theaterwissenschaftler Henning Rischbieter wird mit dem diesjährigen Theaterpreis der Stiftung Preußische Seehandlung ausgezeichnet. Der mit 30.000 Mark dotierte Preis wird bereits zum zwölften Mal vergeben. Nach Auffassung der Preisjury hat Rischbieter als Kritiker und Publizist, als Chronist und Historiker sowie durch Forschung und Lehre „das Theaterleben unserer Zeit durch die Schwungkraft seines Eigensinns“ bewegt wie kein zweiter.

Der 71jährige hatte 1960 zusammen mit dem Verleger Erhard Friedrich die Zeitschrift „Theater heute“ ins Leben gerufen und war Redakteur und Mitherausgeber. Ein neuer Typ von Theaterkritik habe darin mutige Entdeckungen und gescheiterte Aufbrüche auf dem Theater kritisch begleitet und ihnen zu öffentlicher Anerkennung verholfen, so die Jury. Rischbieter ist auch der Leiter der Ausstellung „Durch den Eisernen Vorhang – Theater im geteilten Deutschland 1949 – 1990“, die am 16. Mai in der Akademie der Künste eröffnet wird.