: Vom Steuerrad zum Joystick
■ Im Jahr 1799 wurde die Bremische Navigationsschule“ gegründet, Vorläuferin des Fachbereichs „Nautik und Internationale Wirtschaft“ an der Hochschule Bremen
Es trug sich zu im Jahre 1799. Vor zweihundert Jahren also, fast auf den Tag genau: Am 24. oder 25. April des Jahres wurde die „Bremische Navigationsschule“ gegründet, der Vorläufer des immer noch existenten „Fachbereiches Nautik und Internationale Wirtschaft“ an der Hochschule Bremen. Böse Zungen behaupten zwar, die Grundlagen für das nautische Bremen wurden schon zehn Jahre früher, im Jahr 1789 gelegt, als der Seemann und spätere Direktor der Navigationsschule Daniel Braubach eine Privatschule für die Ausbildung von Steuermännern gründete. Doch dann könnte man jetzt nicht mit Festprogramm und Feierstunde das 200jährige Bestehen der ehrwürdigen Akademie begehen, sondern hätte es bereits verpaßt.
Das mit dem 24. oder 25. April 1799 geht schon in Ordnung. 150 Kaufleute, Reeder und Schiffskapitäne taten sich 1798 zusammen, um eine Bremische Navigationsschule zu gründen, die den Bedarf der Flotte an gut ausgebildeten Steuerleuten decken sollte. Bis dahin war die Schiffahrtskunst meist von Vater auf den Sohn (nie auf die Tochter, vielleicht manchmal auf den Ziehsohn) vererbt worden. Wenn ein Seebär den Polarstern nicht kannte, konnte das generationenlange Folgen haben. Vielleicht wurde deshalb Amerika so spät entdeckt.
Die Gründung der Navigationsschule ging ähnlich von statten wie weiland die Gründung der Privatuniversität Grohn: Einige Menschen aus der Privatwirtschaft taten sich zusammen und sammelten Geld. Doch im Unterschied zu heute konnte man sich damals noch auf hanseatischen Gemeinsinn verlassen: 1000 Taler Gold, ein ganz schöner Batzen, trieb der Gründerverein unter Leitung des Konsuls Cassel bei Bremern für den jährlichen Betrieb ein. In einer repräsentativen Gegend wollte die Bürgerschaft die neue Schule lange Zeit nicht haben, sie war an der Wichelnburg nahe dem Stephanitor untergebracht. Erst 1876 zog die Schule in ein Gebäude am Neustadtswall.
Was ist nicht alles seit der Gründung passiert. Studierendenzahlen nahmen zu und wieder ab, die letzte Flaute ist erst ein Jahr her. Seit Gründung der Hochschule Bremen im Jahr 1982 sind die Nautiker ein Teil der Hochschule. Die Absolventen, so berichtet ein Professor, werden der Hochschule inzwischen „aus den Händen gerissen“, die Berufsaussichten für die Nachwuchsnavigatoren sind exzellent.
Die Ausbildung der derzeit 150 Studierenden des Fachbereiches ist high-tech-geprägt. An Simulatoren proben Studierende und zuweilen auch Bildungssenatorinnen, riesige Tanker in enge Hafenbuchten zu steuern, ohne daß die Hafenmole eingerissen wird. Selbst für das Behandeln von flüssiger Ladung, die schnell das Schiff aus dem Gleichgewicht schwappen kann, sind inzwischen Simulatoren vorhanden. Am Ende steht ein Diplom. Und dann sind die Absolventen – zum großen Teil immer noch Männer – schon fast Kapitän oder Schiffsoffizier. Einige bleiben auch an Land. Denn auch für die trockene maritime Wirtschaft wird ausgebildet.
Christoph Dowe
Zum zweihundertjährigen Bestehen haben die Nautiker eine Festschrift herausgegeben: 200 Jahre Seefahrtschule Bremen, Herausgegeben von Christof Marcus und Dieter W.F. Schoppmeyer, Hauschild-Verlag, 38 Mark; Außerdem sind mehrere Veranstaltungen geplant: am 29. Mai wird ein Tag der offenen Tür mit einer „Maritimen Meile“ in der Werderstraße abgehalten. Am 9. und 10. Juni werden zwei Symposien zu aktuellen und historischen Themen der Seeschifffahrt angeboten, am 11. Juni gibt es eine studentische Abschlußparty in den Räumen des Fachbereiches.
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