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Wie Serben Dörfer im Koovo entvölkern

■ "Es war schrecklich, das ansehen zu müssen" * Augenzeugen erzählen von Mord und Vertreibung im Kosovo. Die Organisation Human Rights Watch hat einige Berichte zusammengetragen - die taz dokumentiert

In den vergangenen zehn Tagen haben Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) mehr als zwanzig Flüchtlinge aus der Region zwischen Urosevac im Kosovo und der makedonischen Grenze unabhängig voneinander befragt. Die taz dokumentiert den HRW-Report.

Die Flüchtlinge, von denen viele seit mehr als zwei Wochen innerhalb des Kosovo auf der Flucht waren, beschrieben das militärische Vorgehen der Serben gegen ihre Heimatdörfer. Unter anderem berichteten sie von schwerem Artilleriebeschuß und dem Einsatz von Panzern. Schließlich wurden ganze Dörfer und Getreidefelder abgebrannt, das Vieh wurde getötet. Flüchtlinge aus verschiedenen Dörfern berichteten übereinstimmend von Morden an Zivilisten durch die serbische Polizei und paramilitärische Einheiten; einige der Leichen seien verstümmelt worden.

So beschreiben die Augenzeugen einen Fall am Morgen des 3. April, als Panzer ohne Warnung in das Dorf Bajnica eindrangen. Ihnen folgten serbische Polizei und Paramilitärs. Sie zündeten Häuser an, schlugen Anwohner auf der Straße zusammen und erschossen Tiere. Zwei Dorfbewohner, Qamil Rhexepi, 60, und Demir Sulemani, 48, wurden umgebracht. Rhexepi wollte nach Angaben eines Augenzeugen aus dem Dorf fliehen, als er von maskierten Männern in grünen Tarnuniformen erschossen wurde. Als der Augenzeuge und drei weitere Männer später am Tag zum Tatort zurückkehrten, fanden sie die beiden Leichen verstümmelt vor: Sulemanis Augen waren herausgerissen worden und seine Kehle durchschnitten, erzählten sie. Einer der Zeugen ergänzte: „Das Dorf wurde zerstört – es war schrecklich, das ansehen zu müssen. Sie haben das nur gemacht, damit wir nicht dorthin zurückkehren können.“

Von einem weiteren Fall berichtet ein Flüchtling aus dem Dorf Rakaj. Die serbische Polizei habe am 3. April die Bewohner seines Dorfes gezwungen, ins benachbarte Cakaj zu fliehen. Das Dorf sei dann geplündert und angezündet worden. Zehn Tage später flohen die Menschen aus Cakaj, nachdem das Nachbardorf gegen 11 Uhr angegriffen wurde. Die Frauen, Kinder und Alten, die Zuflucht in einer Schlucht suchten, wurden schließlich von bewaffneten und maskierten Polizisten aufgestöbert.

Diese befahlen ihnen, die Schlucht nicht eher zu verlassen, bis die Polizei alle Häuser abgebrannt habe.

Drei Zeugen, die sich in der Nähe versteckt hatten, hörten Schüsse, als drei Männer versuchten, aus der Schlucht zu fliehen. Nachdem die Polizei etwa um 15 Uhr abzog, fand einer der Zeugen die verstümmelten Leichen zweier Männer, der dritte starb noch am selben Tag an seinen Schußverletzungen.

Weitere elf Dörfer sind nach Augenzeugenberichten zerstört worden. Nach Ansicht von Human Rights Watch deuten die Berichte darauf hin, daß die serbischen und jugoslawischen Kräfte im südlichen Kosovo buchstäblich eine Taktik der verbrannten Erde verfolgen. Die meisten Dörfer entlang der makedonischen Grenze seien auf diese Weise bereits „ethnisch gesäubert“ und zerstört worden.

Quelle: www.hrw.org

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