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Vergeßt Callas, hört die Schäfer

■ Auch mit einem nicht besonders geschickt zusammengestellten Programm brillierte die Sängerin Christine Schäfer in der nur mäßig erfolgreichen Reihe „Glocke vokal“

„Callas 2000“ – so bezeichnete DIE ZEIT die junge Sängerin Christine Schäfer. Sicher ist so etwas gut gemeint. Aber solch eine Einordnung schadet dem/der Betroffenen mehr, als daß es nützt.

Wie kann eine Sängerin mit einer solchen Vorgabe bestehen? Die Erwartungshaltungen hängen brutal hoch und verhindern eher, der realen Person wirklich zuzuhören und nicht „Die Callas“ in den Auftritt hineinzudenken.

Es war im letzten Konzert von „Glocke vokal“ wohltuend zu hören und zu sehen, daß Christine Schäfer vom ersten Ton an eben nicht „Callas 2000“, sondern niemand anders als Christine Schäfer ist. Ihr Timbre, ihre Gesangstechnik, ihre interpretatorische Haltung sind anders.

Bewundernswert war zunächst einmal ihr Mut, ein seltenes Repertoire zu singen: Lieder von Hans Pfitzner (1869 bis 1949), Richard Strauss (1864 bis 1949) und Ernest Chausson – wer kennt die schon? Trotzdem entstand ein Problem: Hans Pfitzner und Richard Strauss waren die Komponisten, die die Tonalität für das 20. Jahrhundert retten wollten. Das mag ganz nett sein – einzelne Lieder sind von großer Schönheit –, aber das funktioniert insgesamt nicht. Es ist ein künstlich beschworener und benutzter Stil.

Je länger man ihn hört, desto mehr verliert er an kreativer Substanz. Und am Ende hatte ich nur noch Sehnsucht nach Schumann, Schubert, Brahms und Hugo Wolf. Die zum Teil unsäglichen arpeggierten lautmalerischen Begleitungen tun das ihre dazu.

Christine Schäfer hätte vielleicht „ihren“ Komponisten mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn sie die Kontroverse, um die es am Anfang des Jahrhunderts ging, auch gezeigt hätte: Pfitzner gegen das „Buch der hängenden Gärten“ von Arnold Schönberg, jenes erste große Werk in freier Atonalität, Strauss gegen Alban Berg und Anton Webern.

Dabei sind die Interpretationen von Christine Schäfer durchweg zu loben, sie lösten Ovationen in der leider nicht allzu gut besetzten Glocke aus (an die Glocke-Chefin Ilona Schmiel der Rat: durchhalten mit der Reihe, es wird sich rumsprechen!). Christine Schäfer ist eine exzellente Deklamatorin, man versteht jedes Wort – übrigens etwas, was Richard Strauss für seine Lieder verlangte.

Der Klangfarbenreichtum ihrer Stimme erlaubt ihr einen entsprechenden Reichtum an stillen, und schnell wechselnden Atmosphären in diesen durch und durch romantischen Texten. Beeindruckend war auch, daß sie sich eher noch zurücknahm, das Kleine pflegte als sozusagen „Arien“ aus den Liedern zu machen. Diese stille – manchmal fast allzu brave – Art machte natürlich die Lieder noch anfälliger für die Frage nach deren kompositorischer Substanz. Glänzend auch Schäfers Souveränität der Gestaltung, wobei allerdings der hohe Bereich – zugegebenermaßen wunderbar gesungen – manchmal regelrecht herausfiel.

Irwin Gage ist ein Begleiter von hohen Graden, beispielhaft seine Ausgewogenheit von „Begleitung“ und eigener Gestaltung. Gerne hätte ich mehr gehört von den stärksten Liedern des Abends – denen des französischen Komponisten Ernest Chausson: kraftvolle Lieder in der Nachbarschaft Debussys und Ravels.

Für die Zugaben wählte Christine Schäfer zwei Lieder von Richard Strauss, die kleine Szenen sind: Da konnte sie noch einmal ihre ausgeprägte theatralisch-ironische Begabung zeigen.

Ute Schalz-Laurenze

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