piwik no script img

„Der Track haut dich um“

■  Symbolische Akte und reiner Selbstzweck: Interview mit Gerwald Rockenschaub über Minimalismus in der Kunst, falsche Partykontexte, das beschleunigte Denken bei 150 bpm

taz: Nach dem Boom der achtziger Jahre kam 1987 der Crash auf dem Kunstmarkt. Ihr Wechsel von der damals erfolgreichen NeoGeo-Malerei in die DJ-Szene fällt in die gleiche Zeit. Lag es an der Wirtschaft oder an der Kunst?

Gerwald Rockenschaub: Das stimmt so nicht. Der Crash war ziemlich spät, im Herbst 1987. Meine Entscheidung, etwas an der Arbeitsweise zu verändern, kam schon im März und April, als ich bei Barbara Gladstone ausgestellt hatte. In Amerika wurde NeoGeo als Markenzeichen bis zum Geht-nicht-mehr verwertet. Das war wirtschaftlich gesehen in Ordnung, entsprach aber nicht meinem künstlerischen Grundentwurf. Mir war das zu eindimensional und auf den Markt beschränkt. Also habe ich mich umentschieden: Weil ich mit meiner Malerei eh genug Geld verdient hatte, konnte ich etwas radikal Neues ausprobieren. Daraus sind die Boxen mit den Siebdrucken auf Plexiglas entstanden.

Plexiglas als Pendant zu Werbetafeln und Industrieprodukten?

Das war der künstlerische Neuansatz, ich wollte maschinell, industriell, vor allem poppiger und knalliger arbeiten. Es ging um eine höhere Konzentration, um eine größere Intensität. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich auch mehr mit House-Musik beschäftigt, die ich im Jahr zuvor in den USA gehört hatte. Da war eine Faszination für diesen neuen Musikbegriff, wie DJs sich mit vorgefertigten Materialien hinstellen und aus den Versatzstücken eine neue, endlos lange Nummer komponieren. Das mußte ich lernen, also habe ich mir die Technics-Plattenspieler und den Mixer gekauft.

Um dann als DJ im Kunstbetrieb aufzulegen?

Diese Frage hat sich gar nicht gestellt. Meine ersten DJ-Auftritte haben sich natürlich nicht im Kunstraum abgespielt, sondern in dem damals entstehenden Wiener Partyleben. Das blieb vom Kunstbetrieb völlig unbeachtet.

Mit dem Label „Definitely Something“ und dem Audio-Room als Location hat sich die Sache dann sehr professionalisiert. Gab es nie den Wunsch, ganz in die Technoszene überzuwechseln?

Ich habe natürlich in manchen dunklen Momenten mit dieser Idee kokettiert. Ganz banal gesagt: Im Partybetrieb gibt es einfach die attraktiveren Menschen, die schöneren Frauen als in der Kunst. Natürlich fühle ich mich davon mehr angezogen. Andererseits sollte man seine Gefühle nicht mit den beruflichen Ambitionen verwechseln, und ich weiß genau, auf welchem Gebiet ich besser bin. Sagen wir so: Die Musik ist mehr als ein Hobby, wesentlich mehr. Aber um es professionell zu betreiben, müßte ich 48 Stunden am Tag zur Verfügung haben. 1992/93 habe ich die Sache sehr extrem getrieben: Während ich tagsüber mit Andrea Frazer und Christian Philipp Müller in New York an unserem Beitrag für den österreichischen Pavillon zur Biennale in Venedig gearbeitet habe, bin ich nachts mit Pulsinger und DJ Hell durch die Läden gezogen. Es gab sogar Angebote, da musikalisch mitzumachen. Dann wäre ich heute genauso im Geschäft wie die. Statt dessen bin ich nach zwei Monaten urlaubsreif gewesen. Es sind eben zwei verschieden gepolte Betriebe. Ich kann nicht Kunst machen mit der Attitüde „Let's party all the time!“, weil Kunst mit Aspekten wie Reflexion und Kontemplation zu tun hat.

Ihre Einstellung ist trotzdem ähnlich geblieben: Die Malerei ist analytisch, distanziert und abstrakt; die CDs sind vertrackt – eigentlich gar nicht tanzbar.

Natürlich hängt das zusammen. Wenn ich mich an den Computer setze und einen Track komponiere, dann ist das nur ein anderes Medium als in der Malerei. „Funky Kunst“ ist eine Sache, die ich vor allem aus einer zurückgenommeneren Position machen kann, die daraus resultiert, daß ich in Wien noch den Audioroom mitbetreibe.

Die Venedig-Arbeit firmierte damals unter dem Begriff „Kontext-Kunst“. Dabei ging es um die Produktionsbedingungen von Kunst in bezug auf ihren gesellschaftlichen Stellenwert . Sind Sie als DJ mit Ihrer Kulturproduktion innerhalb der Clubszene näher am Leben?

Ich weiß nicht, ich bin eher ein praktischer Mensch. Was mich an der Kontext-Kunst bei Frazer und Müller interessiert hat, war ein bestimmter Aspekt ihrer Arbeit, nicht aber deren Definition. Man sollte das auch mit Blick auf die Clubszene nicht überbewerten: Es gibt die Party, die Organisation, den Event, das ist es auch schon.

Trotzdem interessieren sich Künstler zur Zeit sehr für Clubs, weil dort Kommunikation offenbar viel direkter in einem sozialen Umfeld ausgelebt werden kann.

Vor allem gibt es eine ganze Reihe Mißverständnisse von den verschiedenen Leuten, die sich im Kunstbetrieb damit beschäftigen. Wenn man die höhere soziale Relevanz des Clubbetriebs auf mehr Relevanz im Kunstbetrieb übertragen will, bleibt es zumeist ein symbolischer Akt. Damit kann ich nichts anfangen, für mich sind die beiden Bereiche getrennt, auch wenn ich in meiner Arbeit jeweils vom anderen profitiere. Es ist halt so: Alles, was zu größerer Komplexität neigt, hat weniger Publikum. Das finde ich total okay, mir geht es auch nicht darum, Grenzen zu sprengen und hier irgendwelche Szenen füreinander zu öffnen.

Da gibt es ja auch nicht mehr viel zu öffnen – keine Ausstellung ohne DJ.

Aber was hat das mit einer mehr sozialen Herangehensweise zu tun – außer man macht eben ein Ereignis. Der Partybetrieb funktioniert nicht auf Metaebene. Deshalb lege ich auch bei Kunst-Events nicht mehr auf, weil ich es nicht mag, wenn irgendwelche Leute da herumstehen und nicht tanzen.

Künstlerisch haben Sie von den Techno-Visuals profitiert – die Cover zu Robert-Hood-Platten würden sehr gut in eine Reihe mit Ihren Bildern passen.

Klar, ich wäre doch auch nicht auf einen Ausstellungstitel wie „Funky Minimal“ gekommen, wenn mich die Musik und deren Ästhetik nicht beeinflußt hätte. Aber der Zugang war umgekehrt: Weil ich minimalistische Bilder gemalt habe, konnte ich mich mit der Entwicklung von Kraftwerk bis zu House und Techno so gut identifizieren. Die Beschränkung auf das Wesentliche stand immer im Mittelpunkt meiner Malerei. Und plötzlich schaltet da jemand eine Drummaschine und ein Effektgerät ein – und du hast einen Track, daß es dich von den Socken haut. Das war für mich das Pendant zu meiner Malerei: Man muß sich auf ein Minimum zurücknehmen. Kein Bombast, sondern eine größere Kraft, eine höhere Intensität. Und eine Beschleunigung des Denkens dabei. Ich wollte immer publikumswirksam sein, und das habe ich in beiden Bereichen, mit Techno und Kunst, erreicht. Im Clubbetrieb ist das selbstverständlich, in der Kunst nicht so sehr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen