: Russischer Friedensplan: Viel Lärm um nichts
■ Die Nato lehnt Milošević' „Angebot“ einer „internationalen Präsenz unter UNO-Schirmherrschaft“ im Kosovo ab und wartet auf „geeignetes Umfeld“ für Bodentruppen
Washington (taz) – Die Verwirrung über das Ergebnis russischer Vermittlungsbemühungen im Kosovo-Krieg hielt noch an, als gestern morgen in Washington die 19 Staats- und Regierungschefs der Nato ihr Gipfeltreffen mit einer Arbeitssitzung zum Thema Kosovo begannen. Ursprünglich war die Zusammenkunft aus Anlaß des 50. Geburtstags der Allianz anberaumt worden. Zuvor hatte Rußlands Ex-Premier Wiktor Tschernomyrdin, der als Vermittler seiner Regierung nach Belgrad gereist war, nach neunstündigen Gesprächen mit Milošević erklärt, der jugoslawische Präsident akzeptiere eine „internationale Präsenz unter UNO-Schirmherrschaft“ in der südserbischen Provinz.
Obwohl das Belgrader Außenministerium klargestellt hatte, damit sei ausschließlich eine zivile Präsenz gemeint und eine Stationierung „ausländischer Armee- und Polizeikräfte im Kosovo“ sei weiterhin „ausgeschlossen“, blieb Tschernomyrdin bei seiner Darstellung, Milošević habe ihm gegenüber „Truppen, also eine militärische Präsenz, akzeptiert“.
Noch vor Beginn des Nato-Gipfels hatten US-Präsident Bill Clinton und der britische Premierminister Tony Blair das Angebot aus Belgrad als „unzureichend“ abgelehnt. Von den bei Redaktionsschluß noch andauernden Kosovo-Beratungen der 19 Staats- und Regierungschefs wurde eine „Bekräftigung der Entschlossenheit zur Fortsetzung des Luftkrieges“ erwartet, bis alle Forderungen der Nato an Milošević erfüllt sind.
Die offizielle Sprachregelung der Nato lautet weiterhin, dieses Ziel sei allein mit Luftangriffen zu erreichen. Das Thema Bodentruppen stand nach Angaben von Nato-Sprechern zwar nicht auf der Tagesordnung der ersten Arbeitssitzung des Gipfels. Doch im Vor- und Umfeld des Gipfels trieben Vertreter der britischen und der US-Regierung die Vorbereitung der Öffentlichkeit auf einen Einsatz von Bodentruppen voran. Sobald ein „geeignetes Umfeld“ geschaffen sei, könnten Bodentruppen eingesetzt werden, erklärte US-Außenministerin Madeleine Albright.
Was ein „geeignetes Umfeld“ sei, wird in der US-Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Die Spannbreite reicht von „vorheriger Zustimmung Belgrads“ bis hin zu einem Kampfeinsatz mit Bodentruppen, nachdem die Nato-Luftangriffe die serbischen/restjugoslawischen Armee- und Polizeikräfte im Kosovo zumindest erheblich geschwächt haben.
Diesem in den ersten viereinhalb Luftkriegswochen nicht erreichten Ziel will die Nato jetzt mit dem Einsatz von Apache- Hubschraubern der US-Armee näher kommen. Diskutiert wird aber auch über den massiven Einsatz von Artilleriegeschützen, die aus dem makedonischen und albanischen Grenzgebiet zum Kosovo bis 150 Kilometer tief in die südserbische Provinz schießen können.
Der Chef der italienischen Lega Nord, Bossi, erklärte nach einem Gespräch in Belgrad mit Milošević, dieser sei bereit, UNO-Generalsekretär Kofi Annan zu empfangen. Annan wird sich von Sonntag bis Mittwoch nächster Woche in Deutschland aufhalten und will dann nach Moskau weiterfliegen. Eine Vermittlungsmission nach Belgrad wird von seinem Büro zumindest nicht ausgeschlossen. Andreas Zumach
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