Knackis sollen nach Großbeeren ziehen

■  Allen Protesten zum Trotz – die Justizverwaltung verfolgt ihr Gefängnis-Projekt südlich von Berlin. 650 Berliner Gefangene sollen dort künftig einsitzen. ExpertInnen: Statt Knastneubau wäre Haftvermeidung nötig

Berlin will seine Gefangenen abschieben – nach Brandenburg. 650 Männer sollen künftig im geschlossenen Vollzug in Großbeeren sitzen. Für das nächste Jahrtausend plant die Hauptstadt dort die zweitgrößte Haftanstalt des Landes Berlin.

Entgegen dem Widerstand von Großbeerener BürgerInnen, dem Widerspruch von ExpertInnen und obwohl für den geplanten Knast gerade noch ein zweiter Standort in Berlin-Buch geprüft wird, ist das Gefängnis in der Justizverwaltung quasi beschlossene Sache, bestätigen MitarbeiterInnen der Verwaltung.

Die Planungen sind bereits in einem konkreten Stadium: Von mehreren Alternativstandorten wurde eine Fläche am Rande von Großbeeren, das südlich von Berlin liegt, auserkoren. Auch ein Antrag zur landesplanerischen Zustimmung ist bei der gemeinsamen Landesplanungsgruppe Berlin-Brandenburg bereits gestellt.

Die Pläne der Justizverwaltung sehen ein 20 Hektar-großes Grundstück vor, das als ehemaliges Rieselfeld zum Eigentum Berlins zählt. Die Anstalt soll nach internen Unterlagen der Justizverwaltung von einer 5, 30 Meter hohen Anstaltsmauer ohne Wachtürme, dafür aber mit moderner Überwachungstechnik gesichert werden. Innerhalb der Mauern sind drei bis vier Haftgebäude, ein Verwaltungsgebäude, eine Sporthalle, ein Küchengebäude, ein Besuchszentrum und ein Gebäude für anstaltseigene Werkstätten geplant.

ExpertInnen halten dieses Projekt für unnötig und politisch falsch. Daß die Jutizverwaltung den Knastneubau mit den gestiegenen Gefangenenzahlen begründet, überzeugt Vollzugskenner überhaupt nicht. Die permanente Überbelegung der Haftanstalten sei ganz einfach durch einen Ausbau des offenen Vollzugs zu lösen, argumentiert etwa der Berliner Vollzugsbeirat. Die vorhandenen drei kleinen Anstalten des offenen Vollzugs seien mit insgesamt 120 Insassen überbelegt. Außerdem stünden 235 Gefangene im geschlossenen Vollzug auf der Warteliste für eine Verlegung in den offenen Vollzug.

„Das Problem der Überbelegung ließe sich dadurch lösen, indem man leerstehende Kasernen oder Schulen als Freigängeranstalten ausbaut“, sagt der Vorsitzende des Vollzugsbeirats, Olaf Heischel. Auch die Geschäftsführerin des Vereins Freie Hilfe, eine Einrichtung der Straffälligenhilfe, Wera Barth, meint, daß das „viele Geld besser in Präventionsmaßnahmen gesteckt werden sollte“.

Die grüne Justizexpertin und Fraktionsvorsitzende Renate Künast betont, daß das, was die Justizverwaltung an Programmen zur Haftvermeidung aufbringe, bei weitem nicht hinreichend sei. So müßten dringend Sonderprogramme zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen aufgelegt werden. Immer noch wanderten viel zu viele Deliquenten ins Gefängnis, obwohl sie doch nur eine Geldstrafe auferlegt bekommen haben. In Berlin sind das derzeit nach Angaben der Justizverwaltung knapp 300 Gefangene. Künast weist auch darauf hin, daß generell in Berlin zu viele Verhaftungen vorgenommen würden. Sie spricht sich für die schnelle Überprüfung der U-Haft-Kriterien aus, da hier die Zahlen rapide anstiegen. Außerdem müßte sich die Verurteilungspraxis bei Jugendlichen dringend verändern. Die Richter verurteilten viel zu häufig zu Freiheitsstrafen, anstatt andere Erziehungsmaßnahmen ins Auge zu fassen. Und noch auf einen gravierenden Mißstand weist Künast hin: die im Bundesvergleich erheblich geringe Zahl von Entlassungen nach zwei Dritteln der Haft.

Um die JVA zumindest der Stadt Großbeeren doch noch schmackhaft zu machen, verspricht die Justizverwaltung in ihren Unterlagen „Wirtschaftsimpulse und Sicherheit“. So seien insgesamt Investitionsmittel von 130 bis 150 Millionen Mark im Spiel, die die regionale Wirtschaft ankurbeln könnten. Darüber hinaus werde das Steueraufkommen durch die Angestellten der JVA gestärkt. Und „im übrigen können Betriebe der Region mit den Anstaltsbetrieben kooperieren und die Arbeitskraftkapazitäten nutzen.“

Den Befürchtungen, die ein Gefängnis im Wohnumfeld stets auslöst, tritt die Justizverwaltung ebenfalls entgegen: Die Justizvollzugsanstalt habe eine „eher stabilisierende Wirkung“ bezüglich der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung. Barbara Junge/Plutonia Plarre