piwik no script img

Der Reiz der Reduktion

Neues und Altbewährtes bei zwei Abenden Bamako-Berlin im Pfefferberg: Salif Keita verließ sich ganz auf handelsübliche Rockshow-Essentials, Rokia Traoré setzte auf die Kraft traditioneller Klangerzeuger und empfahl sich als die Joni Mitchell Malis  ■   Von Daniel Bax

Es gehört zu den Paradoxien gerade afrikanischer Musik, daß sie oft von Menschen gehört wird, die darin eine Alternative zum gewohnten Pop-Allerlei sehen, aber häufig von Menschen gemacht wird, die nichts lieber sein würden als Teil des globalen Pop-Mainstreams. Salif Keita gehört zu der Generation, der dies beinahe gelungen wäre. Als vor rund zehn Jahren der Weltmusikboom ausgerufen wurde, Youssou N'Dour plötzlich mit Bruce Springsteen auf den Südafrika-Solidaritätsbühnen dieser Welt stand und sich mit Mory Kante ein ehemaliger Bandkollege Keitas an den Spitzen der Hitparaden tummelte, da schien die Teilhabe greifbar nahe.

Doch so schnell sich die Scheinwerfer Richtung Süden gedreht hatten, wendeten sie sich auch wieder ab; die Entdeckung Afrikas durch die Musikindustrie blieb ohne Nachhall. Manche, wie Mory Kante, erholten sich nie wieder so richtig vom kurzfristigen Ruhm. Andere, wie Salif Keita, schafften es, sich mit konstanter Qualität zu etablieren.

Seine letzte reguläre Veröffentlichung, das Album „Folon“, liegt nun schon gut vier Jahre zurück, eine neue Platte ist für diesen Sommer angekündigt. Um so neugieriger durfte man sein, ob der berühmteste Albino Afrikas im Pfefferberg einen Vorgeschmack geben würde. Doch wer etwas wirklich Neues erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Denn Salif Keita bot lediglich Altbekanntes, vornehmlich vom Album „Folon“. Gewiß nicht das Schlechteste, und dessen Glanzstücke, vom schmissigen „Tekere“ zum ruhigen Titelstück „Folon“, allein mit der Akustikgitarre, waren denn auch die Höhepunkte eines Sets, das dank der Showmanship Salif Keitas zur Routineübung geriet. Risikolos, professionell, und ohne wirkliche Leidenschaft zog der sein Programm durch, mit allem, was dazugehört: hier einen Gang höher schalten, da eine besinnliche Balladenpause einlegen. Nicht zu vergessen die offenbar unvermeidliche Publikumsanimation, die da lautet: mal eben ein paar aus den vorderen Reihen als Vortänzer auf die Bühne geholt – für latent unbewegliche Europäer ja stets eine unvergleichliche Gelegenheit, sich zum Sepp zu machen.

Vor der Bühne allerdings, allen Bemühungen zum Trotz, wenig Bewegung. Vielleicht war der Pop-Bombast doch zu erdrückend, mit dem die angeheuerte Band, routinierte Profis aus Paris allesamt, Salif Keitas Gesang zukleisterte. Dem Meister aus Mali schien es zu gefallen, daß seine Stimme in einem Brei aus Keyboardklischees und langweiligen Gitarrensoli versackte. Nach nur einer Zugabe entschwand er: Ein saturierter Altstar, der weiß, was er seinen Hörern schuldig ist und dieses Mindestpensum absolviert. Aber auch nicht mehr.

Kontrastprogramm am Abend danach. Die Sängerin Rokia Traoré gehört einer neuen Generation an, die nicht mehr um jeden Preis popgerecht sein will. Während ein Salif Keita das gesamte Rockmobiliar auffährt, um zu gefallen, geht Rokia Traoré rein akustisch zu Werke. Und wo der eine ganz auf afrikanische Instrumente verzichtet, vertraut die 24jährige ausschließlich auf die Kraft traditioneller Klangerzeuger. Das ist nur auf den ersten Blick konservativ, die Innovation steckt im Detail. So gibt bei ihr nicht nur die Ngomi-Laute der Griots den Ton an, sondern auch ein Balafon, ein afrikanisches Xylophon – unüblich, aber als Kunstgriff weniger offensichtlich. Im Pfefferberg empfahl sie sich schon mal als die kommende Joni Mitchell Malis. Viel Raum ist zwischen den Tönen, die sich ganz allmählich ausbreiten, und irgendwann greift auch der ruhige Rhythmus der reduzierten Kompositionen. Spröde Hörmusik, die swingt und sogar zum Tanzen bewegt. Und mehr Groove verströmt, als ein Salif Keita mit all seinen Mätzchen. Nach zwei Zugaben erhält Rokia Traoré einen Blumenstrauß, wie eine Debütantin beim Abschlußball. Verdientermaßen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen