Der homosexuelle Mann  ■  ...  Von Elmar Kraushaar

... hat eine neue Galionsfigur: Patrick Lindner. Der Münchner Schlagersänger nimmt sich das, was er für sein Leben braucht: einen Mann, einen Sohn – ohne viel zu fragen, ohne Versteckspiel, ganz souverän. Dabei pflastern keine ideologischen Debatten den Weg des Ex-Kochs, keine Schwulengruppen und keine politischen Kampagnen. Er lächelt einfach in die Kamera und plaudert drauflos, bei Biolek oder – unlängst – in der Zeitschrift Amica. „Es gibt Dinge, die wichtiger sind als Beruf und alles andere“, sagt er da und meint seine Idylle mit Mann Michi, Adoptivsohn Daniel und der Villa in München-Grünwald.

So einer muß also daherkommen und ein Coming-out hinlegen mit Anstand und mit Würde, wie keiner vor ihm hierzulande. Lindner redet nicht mehr um den heißen Brei, haut aber auch nicht auf die Pauke. Das Wörtchen „schwul“ kommt ihm nicht über die Lippen, doch die Geschichte funktioniert auch so – selbst in Bayern: „Seitdem werden wir eben nicht mehr von Herrn Stoiber eingeladen“, sekundiert „Michi“, Michael Link: „Aber damit können wir ganz gut leben.“

Und die Angst, von der die anderen immer reden, wenn sie ihr Schweigen ummänteln? Der Karriereknick? Das Ende aller Sympathie? Keine Aufträge mehr und kein Erfolg? Lindner und Link bleiben auf dem Teppich und fürchten sich nicht vor dem Tag X: „Dann müssen wir halt andere Sachen machen.“ Und daß er doch gelogen hat, Standardsätze wie „Ich liebe nur Frauen, alles andere ist üble Nachrede!“ durchgezogen hat vor den Journalisten, ganz wie so viele seiner versteckten Kollegen, das erklärt sich jetzt ganz banal: „ Ich hatte was erreicht, wovon viele träumen, das wollte ich nicht gefährden.“

Die Offenheit des Sängers wird nach dem Interview zur Nachricht, und unzählige Frauen müssen sich neu orientieren: Was fangen weibliche Fans jetzt an mit einem solchen Mann? Auf ihrer Seite „Die Berlinerin“ kennt sich die B.Z. aus mit dem Problem – „Nach dem ersten Schreck bleibt die Begeisterung der Damen meist erhalten“ – und bietet kompetente Hilfe. Eine Diplom-Psychologin – natürlich – vollzieht den Spagat und preist die Vorzüge eines Mannes, bei dem Frauen nur noch in zweiter Reihe stehen. Damit dies gelingt, werden alte Vorurteile einmal ganz positiv gewendet: Schwule Männer baggern nicht an, haben ein gutes Körpergefühl, sind stets gepflegt, höflich, interessiert und tanzen gern, kennen sich aus mit Fummeln und Frisuren und – da haben wir es doch, so ganz ohne Frauen kommen auch sie nicht aus – „Sie sind stark an ihren Müttern orientiert – und die haben in der Familie traditionell die Rolle der kulturell Interessierten.“ So wird aus dem einstmals verlachten Muttersöhnchen, der Memme, doch noch eine leidlich ehrenwerte Person.

Der Lindner Patrick kann jetzt nichts dafür, daß ihn die Frauen ganz einfach umtopfen vom idealen Schwiegersohn zum ideellen Gesamthomo, schließlich wollte er nur ein paar Dinge geraderücken, damit keiner mehr versucht, „schmierige Sachen daraus zu stricken“. Schließlich geht es – nicht um Publicity und nicht um ein paar verkaufte Scheiben mehr – „ums blanke Leben“. Sagt der Schlagersänger, der ein Koch war und einen Mann liebt und den gemeinsamen Sohn.