: IWF zieht Lehren aus den Finanzkrisen
■ Neue Kreditlinie soll Schwellenländer vor Ansteckung schützen
Berlin (taz) – Die Finanzkrise, die sich letztes Jahr beinahe über die ganze Welt ausbreitete „scheint vorbei zu sein“, verkündete der Direktor der Internationalen Währungsfonds, Michel Camdessus, auf dem Frühjahrstreffen von IWF und Weltbank in Washington. Der IWF zieht nun die Lehren aus der Serienkrise. Frei nach dem Motto „Vorbeugen ist billiger als Heilen“ soll eine neue „bedingte Kreditlinie“ geschaffen werden, um Ländern schon vor dem Ausbruch einer akuten Finanzkrise Beistand zu leisten. „Bedingt“ heißt, daß sich die betroffenen Länder streng nach IWF-Vorgaben richten müssen, etwa was die Haushaltsdisziplin oder die Offenlegung ihrer finanziellen Situation anbelangt.
Mit frühzeitigen Milliardenkrediten soll verhindert werden, daß sich wirtschaftlich gesunde Schwellenländer „anstecken“, wenn andere Länder die Krise kriegen. Das könnte zum Beispiel einem Land wie Argentinien nützen, dessen Währung gleich mit unter Druck geriet, als in Brasilien zu Beginn des Jahres eine Währungskrise ausbrach. Allerdings wurden gestern schon skeptische Stimmen laut: Wenn die Regierung eines Landes, das noch gar nicht in die Krise geraten ist, solche Mittel beantragt, könnte das für die internationalen Finanzmärkte ein Krisensignal sein. Wenn dann Anleger ihr Geld massenhaft abziehen, könnte dies genau die Krise auslösen, die verhindert werden sollte.
Die Finanzkrisen, die in den letzten zwei Jahren die Schwellenmärkte heimgesucht haben, betrafen nur Länder mit fixierten Wechselkursen. Erst in Asien, dann in Rußland und später dann auch in Brasilien verteidigten die Regierungen mit hohen Summen ihre Währungen, um dann doch hilflos deren Sturz zusehen zu müssen. US-Finanzminister Robert Rubin hatte deshalb gefordert, künftig internationale Rettungspakete nur noch für Länder mit flexiblen Wechselkursen zu schnüren.
Gestern berieten die Finanzminister der G 7, der Gruppe der großen Industrieländer, in Washington über Einzelheiten des Plans. Ergebnisse waren zu Redaktionsschluß noch nicht bekannt. Immerhin war die Stimmung vor dem gestrigen Treffen gut. „Dies ist das erste Mal seit vielen Treffen, daß die Lage deutlich besser ist als drei Monate zuvor“, sagte ein G-7-Teilnehmer der Financial Times. Nicola Liebert
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