Hasenfüßige Ironie der Versicherung

Songs in schlichter Schönheit, eingängig und sperrig, arrogant und einfühlsam – unklar, wie das funktioniert, aber es gibt zur Zeit keine Band, die so leicht an ihrem Sound zu indentifizieren ist wie Cake  ■   Von Thomas Winkler

Erst kürzlich kam auch John McCrea drauf, daß seine Musik ziemlich ironisch ist. Man hätte ja gedacht, das gehört zum Konzept bei einem Menschen, der immerzu Anglerhütchen trägt, seine Band Kuchen nennt, sie aber dann den denkbar knochentrockensten Sound spielen läßt. Und dazu singt er mit todtraurigem Blick Texte, in denen es darum geht, daß Schafe in den Himmel kommen, Ziegen aber in die Hölle.

Aber nachdem alle Welt den feinen Witz und den surrealistischen Charme der Songs auf „Fashion Nugget“, dem Durchbruch von Cake, ausführlich lobte, sagte McCrea dann so spröde, wie er zu singen pflegt: „Ich habe gemerkt wie hasenfüßig Ironie ist. Man kann sich prima in ihr zurücklehnen.“

Eben das will er jetzt nicht mehr tun. Dafür hat er ja jetzt eine Krankenversicherung, inklusive Zahnersatz. In den USA keine Selbstverständlichkeit – erst recht nicht für Musiker –, ist dies der einzige Luxus, den sich McCrea geleistet hat, nachdem sich „Fashion Nugget“ inzwischen mehr als 1,2 Millionen Mal verkauft hat. „Das macht mich sehr glücklich“, sagt er. Und meint die Krankenversicherung, nicht den Erfolg.

Keine, zumindest weniger Ironie soll es sein auf dem aktuellen Album „Prolonging the Magic“. Auch wenn ihm mit diesem Titel schon wieder einer rausgerutscht ist. Mehr Gefühl sollte es diesmal sein, Songs darüber, „wie das Leben wirklich ist“. Doch was als erstes auffällt neben dem überraschenden Gebrauch von Steel-Gitarre und musikalischer Säge ist das Fehlen von Coverversionen. Waren es doch vor allem ihre staubigen Versionen der Discohymne „I Will Survive“ und des Willie-Nelson-Klassikers „Sad Songs and Waltzes“, mit denen sie bekannt geworden sind. So schreibt McCrea halt die Songs selbst, die sich in ihrer schlichten Schönheit bereits jetzt wie Klassiker anfühlen. Auf der neuen Platte gleich haufenweise, die bereits wieder verdientermaßen sehr erfolgreiche Single „Never There“ ist nur einer davon.

Und dann ist da der Sound dieser Band, der gleichzeitig eingängig und sperrig ist, arrogant und einfühlsam, spartanisch und schwelgerisch, und man weiß einfach nicht, wie sie es machen. Trotzdem, es gibt momentan keine Band, die so leicht an ihrem Sound identifizierbar ist wie Cake. Auch McCrea hat Probleme, die Musik seiner Band zu beschreiben.

Ziemlich nahe kam er dem Geheimnis vor zwei Jahren in einem Interview mit Spin: „Amerikanische Musik ist derbe und überwältigend, wie die Gewalt in unseren Filmen. Das Gute an unserer Musik aber ist, daß etwas zurückgehalten wird.“ „Wir sind Rock, aber was immer es noch an Rockigkeit bei uns gibt, es langweilt mich“, hat McCrea gesagt, „und ich versuche es auszutreiben. Nicht jeder in der Band ist da meiner Meinung.“

Vielleicht liegt es daran, daß manches an „Prolonging the Magic“ weicher, melodischer als bei seinem Vorgänger geraten ist. Vielleicht liegt es daran, daß Gitarrist Greg Brown inzwischen gegangen wurde. Der hatte mit „The Distance“ einen der wenigen Nicht-McCrea-Songs geschrieben, der dann ausgerechnet auch noch zum ersten Hit von Cake wurde. „Es gibt jede Menge wirklich großartige Gitarristen“, mehr sagt McCrea heutzutage zu dem Thema nicht.

Doch nicht nur personell hat McCrea versucht, den Rock auszumerzen. Rein gar nichts möchte er mit dieser „big dumb rock experience“ zu tun haben, und trotzdem läßt er sich von ihr die Krankenversicherung bezahlen. Und kann ein Rocker mit Krankenversicherung noch ein richtiger Rocker sein? Na eben.

Schließlich ist da noch die Sache mit dem Hütchen. Jetzt, wo es die sogar schon in der Kinderabteilung von H&M gibt, ist selbst das Gewohnheitstier McCrea ins Grübeln gekommen: „Ich möchte meinen Hut nicht mehr anziehen, wenn 25 Leute im Publikum den gleichen tragen. Jeder sollte seinen eigenen Hut finden.“

So werden wir wohl nicht nur die alten Hits, sondern auch ein neues Hütchen zu Gesicht bekommen.

Cake spielen am 30. April ab 20.30Uhr im Columbia Fritz, Columbiadamm 8 – 11