piwik no script img

Kein Brotkrümchen wert

■  Der Typus des zeitgenössisch Unangenehmen hat viele Namen: beispielsweise Julian Weizsäcker (*), Chefredakteur des recht neuen Wirtschaftsmagazins „Euro“. Eine abschweifende Editorialkritik

Manchmal wird man per Post mit Zeitschriften belästigt, die auf der verzweifelten Suche nach neuen Kunden zu einem sinnlosen Streuverfahren greifen, welches sich dann in der Branche „gezieltes Product placement“ nennt, was insofern vielleicht einen positiven Aspekt birgt, als mit dieser Methode die meisten, die glauben, mit einem bunten Lifestyle-Magazin ließe sich die schnelle Mark machen, mit schöner Regelmäßigkeit auf die Fresse fallen.

Man hat den Quatsch nicht bestellt, wird aber offensichtlich und selbstverständlich für einen der Vollidioten gehalten, für die z. B. das Euro Wirtschaftsmagazin vom eo Ipso Verlag aus Weiterstadt bei Darmstadt gemacht ist, das sein Credo auf den Titel gedruckt hat: „Mehr verdienen! Besser leben!“ heißt es, aber es hört sich nicht so an, als wüßte jemand mit „besser leben“ irgend etwas anzufangen, das über den Vorstellungshorizont eines durchschnittlichen Mehrverdienenden mit den üblichen Statussymbolen im Kopf hinausgeht: blondes Frauchen, dickes Gefährt und geschmackloses Haus, Hauptsache teuer, damit auch jeder mitkriegt, daß sich der Jungdynamiker mit hochgekrempelten Hemdsärmeln und in die Hüften gestemmten Händen das alles leisten kann. Mit Gel in den Haaren hat dieser Typus des zeitgenössisch Unangenehmen sogar einen Namen: Julian Weizsäcker.

Er ist Chefredakteur von Euro, diesem überflüssigen Blatt mit seinen rund 50.000 verkauften Exemplaren und vierteljährlichen Zuwachsraten von über 50 Prozent. Beziehungsweise tut der 28jährige Ex-Geisteswissenschaftler (Germanistik, Geschichte, Italianistik) aus Bergisch-Gladbach so, als wüßte er, was das ist: „Chefredakteur“. Donnerstags ist ihm wohl im Stern das wöchentliche Wort zum Sonntag plus Foto von Michael Maier aufgefallen. Denn das macht Weizsäcker auch, zeigt bis zur Gürtelschnalle alles und mimt den Macher, der aus dem Weg räumt, was die Unternehmensprofite schmälern könnte, und dem man ohne weiteres zutraut, daß er auch zupackt, um Asylbewerber in ihre Heimat zurückzubefördern.

Daß Lafontaine mir nichts, dir nichts einfach von allen Ämtern zurückgetreten ist, das ist nach Weizsäckers Meinung Feigheit vor dem Feind – wäre der Euro-Chef nicht gleichzeitig froh darüber, daß Deutschland (wer sonst?) das Problem endlich vom Hals hat. „Darf ein Finanzminister“, fragt Weizsäcker in einer bigotten Mischung aus Ungläubigkeit und Empörung im April-Editorial, „einfach mal so entscheiden, daß er keine Lust mehr aufs Mitregieren hat?“ Für Weizsäcker ein echter Skandal – unverständlich, weil alles Streben und Trachten doch eigentlich darauf gerichtet sein sollte, sich dort festzubeißen, wo die Gelder fließen und die Entscheidungen getroffen werden. Dafür steht Weizsäcker mit seinem gegelten Breitleinwandgrinsen. Und je mehr er selber nach Einfluß jiepert und zappelt, je mehr Unternehmensphilosophie er sich unter die Achsel sprüht, um den vertrauten Geruch anzunehmen, an dem man sich in diesen Kreisen erkennt, desto wütender ist er darauf, daß sich da einer die – wenngleich nicht ganz freiwillige – Freiheit genommen hat und den Job einfach sausen ließ, für den sich so ein Weizsäcker verrenken würde wie nur was.

Wenn er der Wirtschaftspolitik der Regierung also den Marsch bläst und den „katastrophalen Steuerschleuderkurs“ anprangert, dann macht er den Wauwau für die Banker und Bosse. Dieses streberhafte Kriechen nennt Weizsäcker dann „Glaubwürdigkeit“, die Lafontaine nicht gehabt hätte, er selbst dafür aber bestimmt gleich pfundweise (bzw. mindestens soviel wie die Nato, die aus Gründen der „Glaubwürdigkeit“ ein ganzes Land in Schutt und Asche legt). Jeden Morgen streicht Weizsäcker sich das Zeug dick aufs Brot und kaut selig auf dem zähen Brei herum, aber es hilft nichts, denn einem Mann, der Gel nicht nur auf, sondern offensichtlich auch im Kopf hat, glaubt man nichts, und wenn er auch die Wahrheit spricht. Oder so ähnlich.

Klaus Bittermann

(*) Name von der Redaktion geändert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen