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Mit Scharfsinn durch die Hintertür

Die Popgeschichte ohne Atempause mit Musik aus den oberbayrischen Städtchen Weilheim und Landsberg füttern: Fred Is Dead, die Band des Hausmusik-Chefs Wolfgang Petters, im Maria am Ostbahnhof  ■   Von Gerrit Bartels

Schon eigenartig: Selbst wenn man noch nie dort war, meint man die oberbayrischen Städtchen Weilheim und Landsberg wie seine Westentasche zu kennen. Es reicht das Droppen von Bandnamen wie The Notwist, Console oder Blond, es reichen Labelnamen wie Hausmusik, Collaps und Payola, und in null Komma nix erschließt sich mittels dieser Ortssynonyme die schöne alte und neue deutsche Indiewelt in der bayrischen Provinz.

Nicht weniger eigenartig allerdings ist es, bis vor kurzem von einer Band wie Fred Is Dead noch nie was gehört zu haben: Asche auf mein Haupt und all derer, denen das genauso geht. Denn noch mehr als genannte Bands und Labels repräsentieren Fred Is Dead diese abgelegene Weltregion. Fred Is Dead ist die Band von Wolfgang Petters, dem Gottvater der ganzen Szenerie, der Hausmusik-Label-und Mailorder-Betreiber ist und Gründer und Mitspieler von anderen Bands wie Village of Savoonga, A Million Mercies oder Iso 68.

Besessenheit is in the house, Stoizismus, Widerborstigkeit.

Den Überblick kann man da leicht verlieren, doch das dürfte im Sinne des Erfinders sein. Petters Wirken erinnert in Haltung, Band- und Labelpolitik und auch der Art von Musik schon mal an andere genial Verrückte wie Calvin Johnson oder Alan Jenkins. Nun könnte man auf den Gedanken kommen, hier würde ohne viel Nachdenken ein Album nach dem anderen rausgehauen, hier würden Ideen so schnell ge- und verbrannt, wie sie geboren wurden. Doch „Mosaic“, das neue, mittlerweile schon vierte Album von Fred Is Dead, widerlegt solche Blasphemien. Es ist dicht und zu Ende gedacht, zitatistisch, es hallt nach und stellt die ideale Quersumme aus dem da, was momentan im deutschen (und amerikanischen) Indie-Land around ist: Songs schreiben und dafür das klassische Rock-Line-up elektronisch verstärken. Schweineorgeln hier, knisternde Electronica dort, Sixties-Beats hier, deutsche Sadness dort: ziemlich viel auf einmal, doch verworren oder überladen ist keiner der Songs.

So ausgeschlafen die nun klingen (manchmal etwas zu ausgeschlafen, da bewegen sie sich gar nicht richtig vom Fleck und verharren in Schwermut, ist aber auch nicht schlecht), so bekannt manche Melodie, mancher Refrain (tausendmal gehört, und tausendmal doch nicht rausgefunden), so hintergründig auch die lyrics, die Petters im Wechsel mit seiner Bassistin Marion Gerth singt: „Bewegung ist alles, sie hält uns auf dem laufenden, doch durch zuviel bewegen kommen wir nicht vom Fleck (...) Dann gibt's Hausarrest für immer, jeder Sarg ist auch ein Zimmer“. Kann man wider die Fliehkräfte in der Provinz hören, ist aber auch allgemeingültig, der Scharfsinn kommt hier schnellen Schrittes durch die Hintertür, „Keine Pause, Geschichte wird gefüttert“ heißt es einmal, und das paßt gut zu Petters, den es nicht stören wird, wenn es dann doch nur die Fußnoten sind, mit denen sein Wirken gewürdigt wird. Denn soviel Konjunktur Musik aus Weilheim/Landsberg momentan hat, die mit ziemlicher Sicherheit kommene Baisse haut einen wie ihn nicht um.

Ähnlich komplex übrigens sind auch die Beziehungsgeflechte der neben Fred Is Dead am morgigen Abend im Maria auftretenden Bands, von Couch und Contriva: Die einen kommen aus München, spielen Musik, die man gemeinhin Postrock nennt, in ihrem Fall aber eher Schimpfwort ist, und ihre Bandmitglieder sind auch bei anderen Bands wie Schwermut Forest und Blond zugange. Die anderen sind aus Berlin, haben viel mit der Band Mina zu tun, machen wundervolle Instrumentalmusik und sind, wenn nicht die beste, mit Sicherheit die zweitbeste Berliner Band der Welt. Netzwerke ahoi, schon immer war es besser, gemeinsam und in Vielheiten stark und unabhängig zu sein. Am 1. Mai ab 22 Uhr im Maria am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune 8 bis 11

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