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Umstrittene Auswege aus der Schuldenfalle

Zum Kölner Weltwirtschaftsgipfel im Juni fordern Kirchen und Dritte-Welt-Gruppen einmütig den Schuldenerlaß für die ärmsten Länder. Gestritten wird aber, ob nur die Industriestaaten an der Krise schuld sind     ■ Von Peter Nowak

Berlin (taz) – Wenn Mitte Juni der Weltwirtschaftsgipfel (WWG) in Köln tagt, werden sich nicht nur die Staatschefs mit einem Schuldenerlaß für die Staaten der Dritten. Welt befassen. Auch Initiativen aus dem Dritte-Welt-Bereich und dem kirchlichen Spektrum bringen das Thema auf die Tagesordnung: Sie haben sich zur „Erlaßkampagne 2000“ zusammengeschlossen, um für einen Ausweg der Dritte-Welt-Länder aus der Schuldenfalle zu werben. Doch die Kampagne ist gespalten: Sollen sie auf eine harmonische Lösung setzen – oder aber die Entschuldung als Entschädigung für die Ausplünderung der Dritten Welt durch die Industriestaaten fordern?

Sichtbares Zeichen der Erlaßkampagne von unten soll eine Menschenkette rund um den WWG werden, zu der am 19. Juni in Köln bis zu 50.000 TeilnehmerInnen erwartet werden. Die Gruppen aus der Dritte-Welt-Arbeit und den Kirchen haben sich mit regierungsunabhängigen Organisationen wie Weed und Germanwatch zusammengeschlossen. Sie beziehen sich auf das biblische „Jubeljahr“, in dem zu runden Jahreszahlen die Herrscher ihren Untertanen die Schulden erließen. Friedel Hütz-Adams vom „Erlaßjahr 2000“ fordert neben der Schuldenreduzierung ein Insolvenzrecht für Staaten. „Wie bei Firmenkonkursen und Privathaushalten soll damit der Bevölkerung der verschuldeten Länder ein Existenzminimum garantiert werden.“

Inzwischen arbeiten auch in Afrika und Lateinamerika NGOs bei der Erlaßkampagne mit. In Venezuela etwa hat der Initiativkreis die reichen Familien des Landes aufgefordert, zwei Prozent ihres Vermögens an die Staatskasse als Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen zu zahlen.

Anders als in den 80er Jahrensteht bei der Erlaßkampagne eine Entschädigung für die jahrhundertelange Ausplünderung durch Kolonialismus und Neokolonialismus nicht zur Debatte. Statt einer Nord-Süd-Konfrontation setzen die Kampagneros auf harmonische Lösungen. „Die Verantwortung für das heute untragbar hohe Schuldenniveau vieler Länder des Südens liegt nicht nur bei den Schuldnern, sondern bei Schuldnern und Gläubigern. Deshalb müssen beide Seiten entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit dazu beitragen, daß ein Ausweg geschaffen wird“, heißt es in den Kampagne-Materialien.

Soviel Ausgewogenheit stößt bei Teilen der Dritte-Welt-Bewegung auf Kritik. Als „Logik der Ohnmacht“ bezeichnet der Münsteraner Theologe Michael Ramminger vom Institut für Theologie und Politik diese Strategie. „Wir sind alle kleine Sünderlein – oder wie vermeide ich Verluste für die deutsche Exportwirtschaft“, überschrieb das Nürnberger Lateinamerikakomitee polemisch seine scharfe Kritik an der Kampagne. Das Freiburger Informationszentrum 3.Welt (iz3W) hat den Trägerkreis wegen des positiven Bezugs auf die Londoner Schuldenkonferenz von 1952, bei der das Nachkriegsdeutschland entschuldet wurde, verlassen. Besonders erboste die Freiburger InternationalistInnen eine Presseerklärung von Germanwatch mit dem plakativen Titel „Von Abs lernen“. „Josef Abs war nicht nur Chefunterhändler der Deutschen Bank bei der Londoner Schuldenkonferenz. Er war in der Nazizeit maßgeblich an der Arisierung jüdischen Vermögens beteiligt und trug auch direkte Verantwortung für die Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen“, so die iz3W-MitarbeiterInnen. Klaus Milke von Germanwatch bestreitet die historischen Fakten nicht, will aber gerade gegenüber Bankmanagern weiterhin den Slogan „Von Abs lernen“ verwenden. „Um das politische Umfeld für unsere Forderungen positiv zu beeinflussen, müssen auch die politischen Entscheidungsträger für das Schuldenthema sensibilisiert werden. Wir wollen die Ent- und Umschuldung von 1952 ein Stück personifizieren, um noch mehr Aufmerksamkeit auf die eigene Vergangenheit zu lenken.“

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