: Was kann man tun? –betr.: Zum Parteitag der Grünen über Kosovo
Zugegeben, die völkerrechtliche Basis für die Luftangriffe auf Jugoslawien ist mehr als umstritten [...]. Zugegeben, die Nato ist in ihrer Militärstrategie (“nur militärische Ziele werden bombardiert“) und in ihrer Informationspolitik nicht glaubwürdig. [...] Zugegeben, das Engagement des Westens, v. a. der USA für Menschenrechte war häufig rein interessegeleitet und auf dem rechten Auge blind, und zugegeben, der Westen hat in den letzten zehn Jahren viele Chancen versäumt, für eine friedliche Lösung des Kosovo-Konflikts vorzusorgen (als die jetzige Regierung noch nicht im Amt war!). Alle diese Einwände, so ernst sie für zukünftige Konflikte genommen werden müssen, helfen nicht weiter bei der Beantwortung der entscheidenden Frage, um die es auf dem Parteitag gehen sollte: Was kann man tun, um die ethnisch motivierte Unterdrückung und Vertreibung der Kosovaren und die Eliminierung ihrer Eliten zu verhindern?
Sind diejenigen, die für einen einseitigen Stopp der Nato-Angriffe eintreten (selbst wenn er befristet wäre), bereit, Verantwortung dafür zu übernehmen, daß Miloevic die Flüchtlinge innerhalb des Kosovo noch brutaler verteiben und auch aus der Luft angreifen könnte? Tausende von Kosovaren befinden sich in abgelegenen Gebirgstälern wie in einer Falle. 24 Stunden ohne Störung und Bedrohung wären genug für die jugoslawische Armee, dort „aufzuräumen“.
Ein bedingungsloses Aussetzen der Nato-Luftangriffe kann also keine Lösung sein. Die Logik der Kriegführung konsequent auf die Spitze zu treiben, das heißt Totalbombardierung Jugoslawiens und am Ende Bodentruppen, darf es auch nicht sein. Ich sehe keinen anderen tauglichen Friedensplan als den von Fischer. Dieser stellt den Primat der Politik wieder her und erlaubt Miloevic, sein Gesicht zu wahren. Wenn Fischer geschwächt würde, würden jene gestärkt werden, die diesem Plan ohnehin nur zögernd zugestimmt haben und Krieg führen wollen, um die Dominanz der Nato zu untermauern oder um Miloevic um jeden Preis loszuwerden. Man darf nicht vergessen, Menschenrechte mit Waffen zu verteidigen gehört zur Tradition der Linken. Konservative hätten kaum ein Problem damit gehabt, das Kosovo sich selbst zu überlassen, wie sie es ja jahrelang mit Bosnien gemacht haben. [...]
Eine zweite wichtige Frage: Was hätten die Grünen davon, wenn der Parteitag Fischer zum Rückzug zwingen oder die Grünen spalten würde? Wir bekämen eine neue Koalition oder Neuwahlen (mit den Grünen unter fünf Prozent). Dies würde jene freuen, denen die Ausweitung des Nato-Mandats über ein reines Verteidigungsbündnis und über das Nato-Territorium hinaus noch immer nicht ausreicht und die keine weitere „Friedens“-macht (zum Beispiel OSZE, VN) neben der Nato dulden wollen. Fischer hat innerhalb der Bundesregierung und der Nato durchgesetzt, daß diese Art der Konfliktlösung „die“ Ausnahme, nicht wie für viele andere (auch in Deutschland) eher das Zukunftsmodell ist. Alle Pläne zur Zivilisierung der internationalen Beziehungen, wie sie im Koalitionsvertrag angedacht worden sind, könnte man dann für eine ganze Generation vergessen. Ganz zu schweigen von anderen Projekten, wie zum Beispiel Staatsbürgerschaftsrecht, ökologische Steuerreform etc.
Es ist tragisch, daß eine rot-grüne Regierung Krieg führt. Es wäre aber noch tragischer, wenn eine rot-grüne Regierung scheitern würde, weil sie den Apparat einer Demokratie für die Menschenrechte eines unterdrückten Volkes einsetzt. Wolfgang Mössinger, Meckenheim
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