Ornament und Sendung

■ Eine Reise nach Indien macht zwar noch kein neues Leben, aber eine gute Britpop-Band: Kula Shaker spielen in der Columbiahalle

Eine schöne Mär aus den Sechzigern und Siebzigern: Einmal nach Indien, ein paar Dosen Bewußtseinserweiterung, Erleuchtung und Spiritualität inhaliert, und wieder zurück. Und schon ist man ein anderer Mensch. Alles wunderbar, hat bloß selten geklappt. Schaut man sich aber jemand wie Crispian Mills von der englischen Band Kula Shaker an und hört deren mittlerweile zweites Album „Peasant, Pigs and Astronauts“, dann merkt man zumindest, daß Reisen auf den Subkontinent auch in den Neunzigern nicht ohne Wirkung bleiben. Mit einem Song namens „Great Hosannah“ beginnt das Album, dann kommen nicht wenige Klänge, die einem eher spanisch als indisch vorkommen, und mit „Namami Nanda-Nandana“ wird das Ganze zu einem friedvollen Ende geführt. Danach bleibt einem nichts anderes mehr übrig, als erschöpft auf den Teppich zu sinken, die Hände beschwörend über dem Kopf zusammenzuschlagen und sich tief in die Seele zu schauen: Läuterung eben.

All das, was Crispian Mills passiert sein muß, als dieser 1993 nach einem mehrmonatigen Indien-Aufenthalt in die britische Heimat zurückkehrte. Seine alte Combo The Kays taufte er in Kula Shaker um und verpaßte ihr inhaltlich wie musikalisch ein neues Design: Angereichert wurde der vormalige musikalische Psychorockschmock mit Sitars, Tablas, Bambusflöten, Congas und anderem Schnickschnack mehr. Dazu spann Mills in Interviews Weltrettungsphantasien und versuchte sein Publikum von Love, Peace & Happiness zu überzeugen.

Auf der Insel kam das alles mehr als gut an. Soviel Ornament und Verbrechen auf einmal hatte man dort lange nicht mehr erlebt, der Novelty-effect sowie schön schillernde Sounds, die die Stone Roses zusammen mit Jimi Hendrix auch nicht besser hätten fabrizieren können, taten ihr übriges. Ruckzuck war „K“, das erste Kula-Shaker-Album, Nummer eins der Charts und Kula Shaker die Retter vor den Gallaghers und Albarns.

Mittlerweile ist jedoch so manches Heilwässerchen die Themse hinuntergeflossen, Kula Shaker sind nur noch eine von vielen Bands mit einem neuen zweiten Album. Und auch Mills möchte, daß sein altes Sendungsbewußtsein nicht mehr so heiß gegessen werden soll, wie es damals von ihm gekocht wurde. War doch nur so eine Phase!

„Peasant, Pigs & Astronauts“ hingegen spricht weiterhin die schon gewohnte Kula-Shaker-Sprache: „It's like the world has lost its head and it's like all the prophets said, but will we arise to a new world.“ New world order mit Kula Shaker also, meint soviel wie: Aliens mit schönen Antlitz, Wizards in a blizzard, Bauern, Schweine und Astronauten auf vielen anderen Planeten. Hinweg mit dem „age of decay and hypocrisy“: „Sometimes I feel the world isn't ready for me.

Für die Songs von Kula Shaker ist die Welt das aber, hübsch zusammengerührt sind in ihnen erneut die indischen Einflüsse mit denen der Stone Roses oder der Charlatans. Wenn dann noch Jimmy alias Roger Daltrey aus The Whos „Quadrophenia“ hallo sagt und auch Hawkind, Harrison und Hendrix wieder ihre Federn lassen, hat man die elende, kriegerische und ungerechte Diesseitigkeit völlig vergessen und auch den Wunsch nach einer neuen Welt im Nirgendwo. Kula Shaker sind schließlich Popstars, sie müssen ein Produkt verkaufen. Und das machen sie gut. Die Wahl, sich einfach nur zu amüsieren oder aber auch sich bekehren zu lassen, hat man dann immer noch.

Gerrit Bartels

Ab 20.30 Uhr, Columbiahalle, Columbiadamm 8 – 11, Tempelhof