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Bilder mit Wasser sind am schönsten

■ Zen-Meister, stille Raucher und ausbrechende Kühe: „Warum Bodhi-Dharma in den Orient aufbrach“, das Debüt des Südkoreaners Yong-Kyun Bae kommt wieder in die Kinos

Am Fuße des Berges steht der Tempel. Dahinter ist die Welt. „Warum haben wir uns von der Welt zurückgezogen? – Um das Herz zu leeren und die Leidenschaften zu überwinden.“ Denn die Leidenschaften verstricken uns in die vergängliche Welt und führen zum Leid, lehrt der Buddhismus. So gehen die kurzen und seltenen Dialoge in der kleinen verfallenen Einsiedelei in den Bergen, fern von den Menschen.

Dort lebt asketisch ein alter Zen-Meister mit seinen beiden Schülern – Kibong, einem jungen Mönch, und Haejin, einem Kind. Drei Lebensalter haben sich also von der Welt entfernt, um zur Ruhe zu kommen. Passieren tut nicht viel in dem preisgekrönten (Goldener Leopard in Locarno) Erstlingsfilm des Südkoreaners Yong-Kyun Bae, eines autodidaktischen Regisseurs und begeisterten Cineasten, der sich als Jugendlicher manche Filme bis zu fünfzigmal angeschaut hatte und acht Jahre lang an „Warum Bodhi-Dharma in den Orient aufbrach“ gearbeitet hatte. Man hört die Geräusche des Waldes in der Stille, manchmal regnet es; oder der Milchzahn des kleinen Jungen wackelt. Da nimmt man dann einen Bindfaden, bindet ihn um den Zahn, zieht kurz und wirft den Milchzahn übers Dach. Oder ein Mönch, von dem gesagt wird, daß ihn nie jemand besuche, harrt unerschütterlich aus in den Bergen. Seinem nach Befreiung des Geistes (was zu schwergewichtig klingt) dürstenden Schüler erzählt er lachend, daß man ihm neulich, weil er krank war, ein Pfund Fleisch aus seinem Körper geschnitten habe. Oder der kleine Junge tötet ohne Absicht einen kleinen Vogel und wird so mit dem Tod konfrontiert, was verschiedene Überlegungen nach sich zieht. Man raucht still Zigaretten. Der Garten wird bestellt, eine Kuh bricht aus dem Stall aus.

Bilder mit Wasser sind am schönsten. Wenn man zu selten aufs Wasser schaut, zerfließt der Geist. Koans, diese absurden zenbuddhistischen Lehrrätsel (the sound of a one hand clapping), kommen auch vorbei. Irgendwann stirbt der alte Zen-Mönch und gibt dem jungen als letzte Übung auf, ihn zu verbrennen. „Das Dasein ist leer; es gibt weder Geburt noch Tod“, bedeuten die Flammen. Manchmal denkt man an Tarkowski, auch wenn dessen Filme viel schwerfälliger sind. Mit Kitsch haben die langen Einstellungen nichts zu tun, eher mit Langeweile, die vorübergeht und sich ins intentionslose Ruhigsein verwandeln mag, wenn man sich auf sie einläßt.

Der historische Bodhi-Dharma ist ein indischer Mönch, der den Geist des Zen im 6. Jahrhundert nach China gebracht hatte. „Das Sein ist die Grundlage der westlichen Philosophie. Aber im Osten, vor allem im Fernen Osten, zieht man dem Sein die Leere vor“, sagt der Regisseur. Detlef Kuhlbrodt

„Warum Bodhi-Dharma in den Osten aufbrach“. Ein Film von Yong-Kyun Bae, Süd-Korea, 1989, 137 Minuten

Allzuviel passiert nicht: Manchmal regnet es; oder der Milchzahn des kleinen Jungen wackelt

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