: Klare Mehrheit für Romano Prodi
■ EU-Parlamentarier verpassen dem Ministerrat eine Abfuhr
Straßburg (taz) – Stehende Ovationen gestern im Europaparlament für den designierten Kommissionspräsidenten Romano Prodi. 392 Abgeordnete stimmten für ihn, nur 72 dagegen. Beifall auch für den Vizepräsidenten der Kosovo-Exilregierung, der mit dem Victory-Zeichen antwortete.
Echte Begeisterung kam aber nach der dritten Abstimmung auf: Mit großer Mehrheit (376 Stimmen) lehnten die Abgeordneten Änderungen des Ministerrates an ihrem Statutsentwurf ab, der die Gehälter vereinheitlichen soll. Nach jetzigem Recht legen die Mitgliedsstaaten die Diäten fest – die Unterschiede sind extrem: 2.800 Euro bekommt ein spanischer Abgeordneter im Monat. Mit mehr als 9.500 Euro schickt Italien seine Europaarbeiter auf die Reise nach Brüssel und Straßburg.
Immerhin 140 Abgeordnete plädierten dafür, das Statut in der Ratsfassung zu akzeptieren. Zwar stören sich viele daran, daß nationale Besteuerung der Diäten weiter möglich bleiben soll und nicht – wie im Parlamentsentwurf vorgesehen – generell durch die einheitliche europäische Steuer ersetzt wird. Die meisten Parlamentarier sind auch verärgert, daß ihnen vom Rat regelwidrig in Friß-oder-stirb-Manier ein Papier diktiert wird. Sie halten aber die Wirkung, die eine Ablehnung im Wahlkampf entfalten könnte, für weitaus schädlicher. Ein Kompromißstatut ist ihrer Ansicht nach allemal besser, als die bestehende Ungleichheit in die nächste Legislaturperiode weiterzuschleppen.
Magda Aelvoet, Vorsitzende der grünen Fraktion, erklärte: „Ich bin wütend. Mit der Ablehnung gerät das Parlament in die falsche Schublade.“ In der Tat spricht der SPD-Abgeordnete Willy Rothley, der den Widerstand gegen die Ratsfassung anführt, vor allem vom Geld: Er wehrt sich dagegen, daß die monatliche Abgeordnetenentschädigung bei 5.677,22 Euro festgeschrieben werden soll – das ist der derzeitige Durchschnitt der Diäten aller Mitgliedsstaaten. Lediglich der Inflationsausgleich soll nach Vorstellung des Rates in Zukunft dazukommen. Das Parlament hatte dagegen gefordert, die Diäten in regelmäßigen Abständen an den europäischen Durchschnitt anzupassen. Auch die vom Rat verlangte detaillierte Abrechnung der Bürokosten lehnt Rothley ab. Der Verwaltungsaufwand, den es bedeute, „jeden Bleistift abzurechnen“, stehe in keinem Verhältnis zur Kostenersparnis.
Die Wähler, die bei privaten Arbeitgebern sehr wohl jeden Bleistift abrechnen müssen, werden für die Aufgeregtheit der Europaparlamentarier wenig Verständnis haben. Insofern könnte sich Rothleys Sieg im Wahlkampf leicht in eine Niederlage verwandeln. Daniela Weingärtner
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